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29. Juni 2013

Gesinnung, geistiger Horizont und Lebenswerk

Es geht mir in diesem Beitrag in erster Linie darum, einige mögliche Mißverständnisse in dem Beitrag Von Wesen und Möglichkeit des Wesentlichen auszuräumen.

Ich habe letzteren gestern noch einmal gelesen, und war geradezu erstaunt darüber, wie doppeldeutig er ist, und wie oft er auf eine Weise verstanden werden kann, welche meinen Ansichten zuwider läuft.

Der Grund dafür liegt wohl in dem geistigen Zustand, in welchem ich mich befand, als ich ihn schrieb, nämlich in einem Zustand großer geistiger Offenheit, in welchem ich ständig in verschiedene Richtungen zur selben Zeit dachte, und deshalb schlicht nicht die Zeit hatte, die jeweils aufgeschriebene, eingeschlagene Richtung weiter zu erklären, also in einem Zustand der Improvisation.

Beginnen wir mit dem Begriff vorgezogenes Dasein. Damit ist nicht das gemeint, was ich zuvor Seinsheimat nannte, also eine ideale Welt, welche einem vorschwebt.

Jeder besitzt so eine Welt, und sein Lebenswerk besteht darin, auf sie hinzuarbeiten. Dabei bestimmt sein geistiger Horizont, wie er sie sich und die Abweichung der wirklichen Welt von ihr denkt, und seine Gesinnung, welchen Ansatz zur Aufhebung dieser Differenz er wählt, wobei letzteres nicht voraussetzt, daß er klar wüßte, worin dieser Ansatz eigentlich besteht.

Dieses ist sicherlich etwas kompliziert, und ich hätte es mir gewiß nicht ausgedacht, wenn Menschen sich nicht genau so verhalten würden. Erläutern wir es also an Beispielen.

Jemand, dessen geistiger Horizont auf die sinnlich erfaßbare Welt beschränkt ist, wird sich unmittelbar mit ihrer Umgestaltung beschäftigen, auch wenn seine Gesinnung nicht die materialistische, sanguinische ist. Psychologisch wäre er von dem Ringen um die richtige Haltung oder das rechte Verständnis bestimmt, aber der Gegenstand dieses Ringens wäre ihm nicht bewußt, und er würde es zum Zwecke der Sinnstiftung also zwangsläufig externalisieren, indem er Werke schafft, in welchen es sich spiegelt.

Und jemand, um jetzt konkret zu werden, dessen geistiger Horizont auf die eigene Haltung beschränkt ist, wird sich mit deren Umgestaltung beschäftigen, wobei sein Geist den Zweck und seine Gesinnung den subjektiven Weg bestimmt. Betrachten wir als Beispiele dessen Hemingway und Tolkien. Beide sind Achtende, oder auch Leistungserwartende, der geistige Horizont beider endet mit der eigenen Haltung, aber der eine war heroisch und der andere philosophisch gesonnen, und das zeigt sich in ihrem Werk.

Während Hemingway sich in jedem Sinne direkt mit dem Thema der richtigen Haltung beschäftigt hat, genauer gesagt der richtigen männlichen Haltung in der modernen Welt, war Tolkien von dem Empfinden bestimmt, daß eine Kultur durch Mythen, welche sie enthält, einen bestimmten, wünschenswerten Einfluß erfährt, also daß ein bestimmtes Verständnis der Welt einen positiven Einfluß auf die Haltung haben kann, wobei Tolkien unfähig war, Verständnis als solches zu reflektieren, nichtsdestotrotz sich aber um ein anderes Verständnis bemühen konnte.

Entsprechend konzeptionslos erscheint Tolkien's Werk, Hemingway's Werk ist klarer, wobei es ja nicht Wenige gibt, welche sich an zu großer Klarheit in der Kunst stoßen, und es stimmt auch, daß dem unreflektierten Ringen ein besonderer Reiz innewohnt, nur übertreibt der, meines Erachtens, wer darum alle Einsicht schmäht, exemplarisch etwa in Verbrechen und Strafe, welches freilich ein Lehrstück ist, darum aber um nichts weniger wert.

Aber zurück zum Thema, der geistige Horizont bestimmt den Gegenstand des Lebenswerkes, Welt, Haltung, Begrifflichkeit (man denke etwa an Erich Kähler) oder den Glauben als daseinsformende Kraft.

Und auf letzteres bezieht sich der Begriff vorgezogenes Dasein, also auf die Frage, an welche Form zu existieren wir glauben sollten in Anbetrscht der Differenz zwischen Seinsheimat und wirklicher Welt, der Mißstand ist hier kein materieller, keiner der Haltung oder Begrifflichkeit, sondern einer des vorgezogenen Daseins, und dieses wird erst durch die Erfahrung transzendenter Akte überhaupt zum Thema, erst, wenn man weiß, daß unser Dasein nicht feststehend ist, sondern von innen heraus durch ein unbedingtes Bekenntnis zu einer Form der Existenz wandelbar.

Zuletzt habe ich diesbezüglich das Mögliche strukturell umrissen, damit weder etwas Unmögliches möglich erscheint, noch durch ein ausgeschlossenes Mögliches ein falsches tertium non datur zur Anwendung käme.

Es ist meine Pflicht, die Synthese des Kommenden mitzudenken, denn je feiner dies geschieht, desto eleganter wird der Übergang zu ihm. Indes ist es nicht meine Aufgabe, die Welt zu wählen, in welcher sich das entfaltet, was für mich das menschliche Leben ausmacht.

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