Bereitschaftsbeitrag

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19. Juli 2013

Vom Hinreichen der Begriffe

Ich sprach heute morgen davon, die Entwicklung von Glauben noch einmal unter dem Gesichtspunkt der Frage, ob es einen Begriff für das gibt, was ein Mensch beschreiben möchte, zu beleuchten.

Diese Frage zielt nicht auf eventuelle Vagheiten im eigenen Begreifen, welche durch Denkfaulheit bedingt sind, etwa, wenn man sagt, eine Hase laufe schnell, anstatt zu sagen, wie schnell er läuft. Denn daß sich prinzipiell sagen ließe, wie schnell er läuft, ist schon klar, auch wenn man sich dazu noch eine vernünftige Meßmethode überlegen muß. Diese Vagheit ist ein Beispiel mangelnder Güte eines Begriffs, wie ich es im vorigen Beitrag nannte, welche sich in der Reflexion des Verstandes und nicht der Vernunft zeigt, nämlich wenn man sich darüber ärgert, offensichtlich unterschiedlich schnelle Hasen doch immer gleich als schnell zu erfassen.

Bei der Frage nach den Beschreibungsmöglichkeiten der eigenen Begrifflichkeit geht es immer um den Aspekt, unter welchem man die Welt einschließlich einem selbst umgestalten will, denn dieses Wollen wäre ja nicht vernünftig, wenn es unbewußt bliebe, wenn es sich nicht begrifflich erfassen ließe.

Freilich kann man nur durch jene Taten umgestalten, welche einem zur Verfügung stehen, auf diesen muß jede Begrifflichkeit aufbauen, Wunschvorstellungen zu formulieren, ist nicht das Ziel begrifflicher Erfassung, sondern Handlungsmuster zur Einfindung in Zielzustände. Eine Begrifflichkeit ist nur so viel wert, wie sie praktisches Handeln anzuleiten vermag.

Nur, wenn man es so ansieht, worin können sich Begrifflichkeiten dann überhaupt in ihrem Hinreichen unterscheiden?

Ich käme da als erstes auf die Gesinnungen. Begrifflichkeiten unterscheiden sich nach dem Gegenstand, dessen Umgestaltung sie erfassen, also konkret die körperliche Welt, die eigene Haltung und die eigene Begrifflichkeit, was selbstverständlich auch wieder die ersten drei geistigen Horizonte in der Zählung bis vier sind.

Aber wenn wir das erfassen, reichen wir doch noch nicht vollständig hin, wenn uns die Sorge treibt. Praktisch bleiben uns jenseits dessen nur die transzendenten Akte als die Suche nach der Neuverhandlung unserer Existenz. Außer ihnen gibt es schlicht nichts, was unsere Begrifflichkeit noch erfassen könnte, um unseren Umgestaltungswillen zu begrifflichem Bewußtsein zu erheben.

Und umgekehrt ist der Kern der Sorge das eigene Dasein an sich, sozusagen die Idee, welche wir verkörpern wollen, und welche nicht aus ihrer eigenen Substanz über sich selbst hinausgehen kann, sondern nur durch göttliche Neuverhandlung.

Freilich findet ständig Neuverhandlung statt, sowohl des Daseins, als auch der Koordination, wie bei der Jagd, und des Geschehens, wie beim Wetter, aber unbewußt, als Kitt alles Bestehenden. Sich seiner Rolle in diesem Kitt so weit es geht bewußt zu sein, erlaubt das höchste Wollen der Vernunft, aber es bleibt natürlich alles durch die Entfernung in Raum und Zeit verschleiert.

Mir ist aufgefallen, daß die russische orthodoxe Kirche versucht, Gebet und Wissenschaft zu verbinden, und ich sehe auch einen guten Grund dafür, nur daß ich nicht so recht daran glaube, daß dies ein praktikabler Weg ist. Das Gebet muß Vorrang haben, Wissenschaft muß sich zu jeder Zeit den jeweils erkennbaren Gesetzen anpassen. Die russische orthodoxe Kirche muß sehr aufpassen, sich nicht mit Aberglauben zu überhäufen.

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