Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

3. Juli 2013

Ist das Menschenwürde?



Ich weiß schon, daß das mit der Menschenwürde da nur hilfloses Gestammel zu politischen Zwecken ist, aber ich werde dessen ungeachtet einmal versuchen, daraus ein kohärentes Argument zu formen.

Zunächst einmal muß man dazu sagen, was auf dieser Pressekonferenz nicht gesagt wird. Es geht bei der Diffamierung Stürzenbergers darum, den Muslimen die Möglichkeit zu belassen, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren, ohne sich formal vom Islam distanzieren zu müssen.

Das ist eine praktische politische Angelegenheit, welche zwar etwas mit Würde, aber nichts mit Menschenwürde zu tun hat: Man scheucht die Leute nicht, man läßt sie selber gehen.

Ich glaube indes, daß hinter dieser Vorstellung einer Angleichung in Würde ein Begriff der Menschenwürde steht, nämlich jener der Wahl aus Erkenntnis: Man erlebt seine Umwelt, erkennt das Vorzügliche und erwählt es für sich.

Das stimmt sicher, und zwar in dreifacher Hinsicht. Ja, wir tun das. Ja, das ist Teil der Vernunft und somit der menschlichen Würde. Und ja, wer es Muslimen erschwert, sich so zu verhalten, der verletzt ihre menschliche Würde.

Die Sache hat nur einen Haken, und der besteht wieder in dem, was nicht gesagt wird, nämlich in der Annahme, daß sich dieser Prozeß in der westlichen Welt und nur in ihr in Freiheit entfaltet.

Die Konsequenz dessen ist, daß die Welt dem Westen schon nachfolgen wird, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommt.

Und die Voraussetzung dessen ist, daß alle Menschen von Natur aus gleich sind.

Nun, das ist sie schon, auch wenn es so beleuchtet nicht schlüssig scheint. Die unmittelbare Begründung der betreffenden Annahme ist der eigene relative Erfolg, nur daß der überhaupt nur dann ein Argument ist, wenn man voraussetzt, daß wir nicht von der Natur begünstigt wurden, und also insbesondere in unserer menschlichen Natur nichts finden, was uns begünstigte.

Nehmen wir das für einen Augenblick an. Dann müssen wir erklären, woher die unterschiedlichen Geschmäcker, gesellschaftlichen Vorstellungen und Gerechtigkeitsempfindungen kommen, oder, um die Sache an ihren Platz in der Geschichte der Philosophie zu stellen, woher unsere Willensunterschiede kommen.

Und wir werden sagen, daß dies alles durch unsere Umwelt geformt wird, oder, auf den Punkt gebracht, daß unser Wille das ausschließliche Produkt unserer Erkenntnis ist.

Was selbstverständlich eine lächerliche Aussage ist, da Wahrnehmung und Wille elementare Bestandteile jeglichen Bewußtseins sind, jeglicher bewußter Funktionalität, mit anderen Worten eine reine Wahrnehmung zu nichts führte. Es ist sogar so, daß eine reine Wahrnehmung noch nicht einmal zu Stande käme, denn in der sinnlichen Erfassung der Welt steckt, wie in jeder anderen Besinnung auch, Konzentration und Wille.

Aber schieben wir die Wahrheit wieder kurz zur Seite und fragen nach dem Anschein, welchen die Lüge stiftet. Nach ihr wäre es also Teil unserer menschlichen Würde, die Erfahrungen machen zu dürfen, um unseren Willen auf den augenblicklich fortschrittlichsten Stand bringen zu können.

Ja, wer die Welt so ansieht, muß davon sprechen, daß den Menschen guter, hochentwickelter Wille vorenthalten wird, wenn sie irgendwo am Ende der Welt wohnen, daß ihre Isolation sie zwangsläufig zur Primitivität hinabzieht.

Vor allem aber hieße das, daß es Teil der menschlichen Würde wäre, kein Herz zu besitzen, sondern es vielmehr nach hoffentlich ertragreicher Erfahrung ständig neuzuformen.

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