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28. Mai 2014

Gedanken zu Timm Thaler (1979)

In meiner Serie Helden Norddeutschlands fügt sich erstmals was zusammen. Nach Tom Sietas bin ich über Christian Bruhn jetzt auf James Krüss gekommen.

Voilà (fünfte Episode hier und hier.)



Ich bin ja der Meinung, daß der Teufel niemals zugelassen hätte, daß jemand diese Wette hält, aber vielleicht wäre Timm ja auch mit der folgenden Wette aus dem Vertrag gekommen:

Ich wette, daß jeder Mensch seinen Preis hat.

Und wenn der Teufel fragte: Wer bittesehr soll die Wette halten?

Würde ich sagen: Aber wir wissen doch beide, daß sie einer hält...

Nun ja, da käme dann wahrscheinlich: Aber nicht dir!, worauf zu bedenken zu geben wäre, ob der Teufel das denn wissen könne und ob er also zum gemachten Vertrag überhaupt befugt wäre, oder ob er etwas versprochen hätte, was ersichtlich nicht in seiner Macht liegt, denn wenn es in seiner Macht läge, existierte er in der Form ja gar nicht.

Abstrakt betrachtet sind alle Beispiele des Bösen, welche in der Serie gegeben werden, künstliche Verknappungen der natürlichen Ressourcen - und das ist gar nicht mal so dumm. 1979 war also Club of Rome noch nicht so ganz in Deutschland angekommen. Aber seitdem haben wir die Grünen. Das freundliche Gesicht, sozusagen.

Ist schon seltsam, wie man alles als Prophezeiung lesen kann... Ja, wir verbieten die Nutzung von Kohle und Kernkraft und... aber es ist für einen guten Zweck!

An der Börse allerdings läuft der Hase seit geraumer Zeit genau in die entgegengesetzte Richtung, short selling, um mit dem erworbenen Kapital den Preis zu drücken, etwa den von Edelmetallen.

Und ist das letztlich gut?

Daß man Leute gegen ihr Interesse dazu zwingt, etwas zur Verfügung zu stellen?

Also... die künstliche Erweiterung der natürlichen Ressourcen? Wo man mit Natur die Natur des Menschen meint, also seine natürliche Bereitschaft für eine Gegenleistung zu arbeiten, ohne andere Motivationen mit in Betracht zu ziehen.

Nein, das ist die Urdummheit der Menschen, daß sie glauben, gut wäre irgendetwas anderes als gut und böse irgendetwas anderes als böse.

Übrigens, weil's hier auch irgendwo paßt, zitiere ich zu diesem Thema mal kurz den Koran.
Also fanden sie einen Unserer Diener, welchem Wir von Unserer Gnade gegeben hatten und ihn Wissen aus Unserer eigenen Gegenwart gelehrt. Moses fragte ihn: "Darf ich Dir auf der Grundlage folgen, daß Du mich etwas von der Wahrheit lehrst, welche Dir gelehrt wurde?" Der Andere antwortete: "Wahrlich, Du wirst keine Geduld mit mir haben! Und wie kannst Du auch Geduld mit Dingen haben, welche du nicht vollständig verstehst?" Moses sagte: "Du wirst mich, so Gott will, geduldig finden, noch werde ich Dir in irgendetwas nicht gehorchen." Der Andere erwiderte: "Wenn Du mir denn folgtest, frag mich keine Fragen, über was auch immer, bis ich selbst zu Dir von ihm spreche." So gingen beide zusammen weiter. Bis, als sie zusammen im Boot waren, er es versenkte. Da fragte Moses: "Hast Du es versenkt, um jene, welche in ihm sind, zu ertränken? Wahrlich, eine seltsame Tat hast Du getan!" Er aber antwortete: "Habe ich Dir nicht gesagt, daß Du keine Geduld mit mir haben kannst?" Aber Moses bat: "Schilt mich nicht dafür, es vergessen zu haben, noch betrübe mich, indem Du mir Beschwer gibst." Dann gingen sie weiter. Bis, als sie auf einen jungen Mann trafen, er ihn erschlug. Moses fragte: "Hast Du einen Unschuldigen erschlagen, welcher selbst niemanden erschlagen hat? Wahrlich, eine unerhöhrte Tat hast Du getan!" Er aber antwortete: "Habe ich Dir nicht gesagt, daß Du keine Geduld mit mir haben kannst?" Moses aber versprach: "Wenn ich Dich nach diesem auch nur eine weitere Sache frage, behalte mich nicht bei Dir und Du wirst von meiner Seite vollständig entschuldigt sein." Dann gingen sie weiter. Bis, als sie zu den Einwohnern einer Stadt kamen, sie diese um Nahrung baten, diese ihnen aber die Gastfreundschaft verweigerten. Sie fanden dort eine baufällige Mauer, welche er ausbesserte. Moses sagte: "Wenn Du gewollt hättest, hättest Du sicher Lohn dafür bekommen!" Er aber erwiderte: "Hier trennen sich denn unsere Wege. Nun werde ich Dir die Bedeutung dessen enthüllen, worüber Du die Geduld verlorst. Was das Boot betrifft, es gehörte gewissen Männern in einer schlimmen Notlage: Sie verkehrten auf dem Wasser, indes wollte ich es nur unbrauchbar machen, denn ein gewisser König verfolgte sie, welcher jedes Boot in Beschlag nimmt, wessen er habhaft wird. Was den Jugendlichen betrifft, seine Eltern waren Gläubige, und wir fürchteten, daß er sie durch eigensinnige Rebellion und Undankbarkeit betrüben würde. Also wünschten wir, daß ihr Herr ihnen zum Austausch einen reineren und liebevolleren Sohn gäbe. Was die Wand betrifft, sie gehörte zwei Jugendlichen, Waisen, in der Stadt. Unter ihr war ein Schatz vergraben, welcher ihnen zustand. Da ihr Vater ein rechtschaffener Mann war, wünschte Dein Herr, daß sie das Alter ihrer vollen Stärke erreichen würden und ihren Schatz bekämen — eine Gnade von Deinem Herrn. Ich tat es nicht aus eigenem Gutdünken. Dies ist die Bedeutung der Dinge, über welchen Du die Geduld verlorst."
Damaskios hat definitiv gewußt, wie man Leuten vor's Schienbein tritt.

Aber zurück zu Timm Thaler. Es ist trotz allem in erster Linie eine Auseinandersetzung mit dem Teufel, nicht mit dem Kapitalismus und auch nicht mit der Gefügigmachung von Jungen. Sicher, James Krüss war schwul. Aber das hat in dieser Angelegenheit nichts zu bedeuten. Diese Art kenne ich nämlich gut, sanfter Händedruck, aber handgreiflich, zieht gerne an Kinderarmen und sagt: Hör mol to, miin Jung. Stets leicht weinerliche Stimme, unterschwellig leidenschaftlich, getrieben von einem inneren Schmerz, erdrückt von der eigenen Herzlichkeit. Alles in der Heterovariante. In einem Wort: tatschig.

Bei Krüss dann noch obendrauf Friesenfimmel. Und es gehört dann auch irgendwo zur friesischen Identität über die letzten Dinge des Lebens Bescheid zu wissen, also über Gott und Teufel, das heißt, eigentlich nur über letzteren. Wobei das vielleicht in Krüss' Fall etwas ungerecht ist, denn seine Darstellung der anderen Seite kommt dem im Heliand gegebenen Vorbild erstaunlich nahe. Ein heutzutage archaisch zu nennendes Bekenntnis zum offenen, guten Gemüt.

Wobei, da fängt die Flunkerei aber auch schon an. Denn so sonderlich gut muß das Gemüt nicht sein, damit man lachen kann. Und ist es auch oftmals nicht. Alles bekommt die dämonische Note des Vorgetäuschten, wenn man Dinge allzu leicht echt nennt.

Und das ist die generische Krankheit des tatschigen Typs. Und doch, trotzdem, in der Nonne Agatha haben wir ein echtes Beispiel: von der nötigen Strenge, aber gut und offen.

Ich bin geneigt zu sagen, daß im Motiv des Wettens eine Ahnung der fortschreitenden transzendenten Akte steckt, ebenso wie in der Güte eine Ahnung der zurücksetzenden. Aber wiederum, nur gut ist gut und nur böse ist böse.

Insgesamt aber ein ordentliches Stück norddeutscher Kultur, über welches ich mich freue.

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