Bereitschaftsbeitrag

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25. Juni 2014

Zum Ansatz bei der Formalisierung des Denkens

Wenn wir etwas wahrnehmen, so können wir entweder vom Akt des Wahrnehmens abstrahieren oder nicht.

Tun wir ersteres, sprechen wir von Eindrücken, ist es letzteres, von Wahrgenommenen.

Offensichtlich muß jeder Ausdruck in Laut oder Schrift vom Akt des Wahrnehmens abstrahieren, da weder die Luft noch das Papier dazu gebracht werden können, auf bestimmte Weisen wahrzunehmen.

Und auch in unserem Denken tun wir das, wobei der Logos der Bereich ist, in welchem wir Eindrücke in synthetischen Eindrücken versammeln.

Zwischen Eindrücken bestehen keine Verhältnisse, denn eines kann sich nur dann zum anderen verhalten, wenn beide durch denselben wahrnehmenden Akt gegeben werden, das heißt, Verhältnisse bestehen nur zwischen Wahrgenommenen.

Indes ist ein synthetischer Eindruck zugleich auch ein Wahrgenommenes im Logos, so daß zwischen ihm und seinen Teilen Verhältnisse bestehen.

Solche Verhältnisse zeigen sich unserem Bewußtsein als Anklänge der eigenen Betroffenheit durch im Verhältnis zu einander stehenden Wahrgenommenen, welche wir mit diesen zusammen als den synthetischen Eindruck von Erscheinendem und Erscheinungsweise im Logos festhalten.

Dieses Festhalten liefert das Verhältnis bezeichnende Eindrücke. Es liegt eine gewisse Willkür darin, in sofern wir selber wählen, durch welche Anklänge wir das Verhältnis für uns bezeichnen wollen, aber das Anklingen selbst ist dabei unwillkürlich - sonst würde es zur Bezeichnung auch nicht taugen.

Diese Bezeichnungen können wir nun benutzen, um uns auf ihnen entsprechende Wahrgenommene zu besinnen, aber es besteht kein gesondertes Verhältnis der Wahrheit zwischen ihnen und einem Wahrgenommenen, vielmehr ergibt sich die Wahrheit indirekt aus dem zeitlich-logischen Zusammenhang des Denkens, indem die bezeichnenden Eindrücke vorgefunden werden.

Vor diesem Hintergrund sollte es klar sein, worüber Platon sich hier ausläßt, nämlich den Unterschied zwischen dem Inhalt der Wahrnehmung und all den Dingen, welche mit ihm in Verbindung stehen, wie Benennung, Auszeichnung durch bezeichnende Eindrücke und Welt.

Was er dabei aber eigentlich sagt ist, daß das Göttliche Diener und keine Leser braucht.
Denn es gibt eine unumstößlich wahre Gegenansicht von der verwegenen Verkündung von Wahrheit durch die Schrift [...].

Jedes der Dinge, die sind, hat dreierlei, durch welche es zu erkennen ist, ein Viertes ist das Verständnis von ihm, als ein Fünftes ist die wahre Wissenschaft zu setzen, durch die wir erkennen, was und wie es in Wahrheit ist. Das erste davon ist der Name, das zweite ist die Erklärung, das dritte ist das Exemplar, das vierte ist das fassende Verständnis. [...]

Kreis ist zum Beispiel ein sprachlich bezeichnetes Ding, das eben den Namen hat, welchen wir eben laut werden ließen.

Das Zweite von jenem Dinge würde die sprachliche ausgedrückte Erklärung sein, welche aus Nenn- und Aussagewörtern zusammengesetzt ist, zum Beispiel: ‚das von seinem Mittelpunkt überall gleich weit Entfernte’ wäre wohl die Erklärung von jenem Dinge, das den Namen Rund, Zirkel, Kreis hat.

Das Dritte ist das in die Sinne wahrnehmbare Exemplar davon, zum Beispiel vom Zeichner oder vom Drechsler angefertigt, was sich wieder auslöschen und vernichten läßt, Zufälle welchen der Begriff des Kreises an sich, mit dem alle jene Meister sich beschäftigen, nicht unterworfen ist, weil er etwas anderes und ganz davon Verschiedenes ist.

Das Vierte ist das dies zusammenfassende Verstehen, das Begreifen durch den Verstand, die wahre Vorstellung von solchen Dingen, und diese ist eine, die nicht in äußerlichen sprachlichen Lauten, nicht in den der körperlichen Wahrnehmung zugänglichen Gestalten, sondern innerhalb der Seele ist, und durch diese Innerlichkeit unterscheidet sich dieses Verständnis erstlich von dem Kreis an sich und zweitens auch von den drei vorhin Genannten.

Das Vermögen der Vernunft, das Fünfte, ist dem Kreis an sich an Verwandtschaft am nächsten, die anderen aber stehen weit zurück. [...] Außer den vorgenannten Aufschlüssen haben jene vier folgenden Nachteil: sie suchen nämlich nichts weniger, als das durch die Vernunft wahrnehmbare Wesen eines jeden durch die sinnliche Eigenschaft zu zeigen, und zwar mit Hilfe der unzulänglichen sprachlichen Bezeichnungen. [...] Das hier allgemein Gesagte muß man sich wiederum an demselben Beispiele erläutern.

Jeder Kreis, welcher unter der Menschen Händen gezeichnet oder gedrechselt wird, hat sehr vieles vom Gegenteil dessen, welches mit den Fünfen gegeben ist, denn der sinnliche Kreis zeigt überall andere Stücke, dagegen hat der richtige Kreis schlechterdings nichts von der gegenteiligen Natur an sich. Nicht einmal der Name jener einzelnen in die Sinne fallenden Dinge hat dabei einen festen Bestand, und es hindert gar nichts die jetzt krumm genannten Dinge grad zu nennen und die graden krumm, und sie bleiben uns nach dieser Umänderung und entgegensetzten Benennung noch ebenso fest vorhanden.

Dieselbe Betrachtung gilt vom sprachlichen Ausdrucke oder der Begriffs-Erklärung. Insofern sie aus der Zusammensetzung von Nenn- und Aussagewörtern besteht, so ist gar nichts vollkommen Festes daran. Und so läßt sich tausendfach von jedem der vier nachweisen, daß es dabei kein deutlich Festes gibt. Das Ärgste hierbei ist, was wir schon oben berührt haben, während nämlich die Seele von den zwei Seiten des Seins, das nicht sinnlich wahrnehmbare wesenhafte Sein und die sinnlich wahrnehmbare Beschaffenheit eines Wesens, nicht nach der sinnlichen Beschaffenheit, sondern nach dem wesenhaften Sein strebt, so hält jedes der vier in derselben Seele, sowohl im Reiche des Gedankens wie in dem der Wahrnehmung zuvor, das nicht Gesuchte, die sinnliche Beschaffenheit, vor und erfüllt dadurch jeden Menschen mit jeder Art von Zweifel und Unklarheit, weil alle Mal ein jedes der erwähnten vier durch sinnliche Worte oder Zeichen Ausdrückbare als etwas für leibliche Sinne leicht Faßliches dazwischen schiebt. [...]

Ja der durch alle jene Erkenntnisstufen mit Anstrengung und oft wiederholte Gang der Überlegungen erzeugt nur wirklich eine Erkenntnis vom ursprünglich vollkommen Wesenhaften bei dem Denker, welcher mit den jenem Wesenhaften verwandten Eigenschaften geboren ist. [...] Kurz und gut: Wer nicht innerlich mit der Philosophie verwandt ist, dem kann weder leichte Fassungsgabe noch ein gutes Gedächtnis diese Eigenschaft ersetzen, denn überhaupt kann sie bei widerstrebender Geistesrichtung nicht ins Leben treten. Daraus geht das Folgende hervor: Alle welche keine innere Empfindung und Verwandtschaft für Gerechtigkeit und alles andere Höhere bei vorhandenen Fassungs- und Gedächtnisgaben besitzen, eben so die, welche jene Verwandtschaft, aber in Verbindung mit schwerer Fassungsgabe und einem schlechten Gedächtnisse haben, alle diese werden niemals das wahre Wesen der Tugend und des Lasters begreifen.

Denn zugleich muß man jene beide Gebiete studieren, sowohl das Unwahre als auch das Wahre des ganzen Seins mit allem Mühe- und Zeitaufwand, wie ich schon von Anfang bemerkte. Und wenn erst durch fleißige gegenseitige Vergleichung der Namen, der erklärenden Beschreibungen mittels der Sprache und der Anschauungen und Wahrnehmungen, ihre Aussagen vom Wesen der Dinge in leidenschaftslosen Belehrungen berichtigt werden, und wenn wir hierbei ohne leidenschaftliche Rechthabereien die rechte dialektische Methode anwenden, dann erst geht uns das Licht der geistigen Wahrnehmung und der reinen Vernunftauffassung des Wesens der Dinge auf.

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