Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

15. Juni 2014

Fürchtet euch nicht!

Ich fühle mich einstweilen immer noch erschöpft und ziemlich leer. Die Dinge verlieren ihren Reiz, wenn sie aufhören, Gegenstand der Untersuchung zu sein und beginnen Fakten zu werden.

Deshalb kann ich hier vielleicht etwas zu der Frage schreiben, worüber es sich zu schreiben lohnt und worüber nicht.

Jede Dummheit, welche begangen wird, hat ihren Grund darin, daß etwas übersehen wird.

Wer Dummheiten bekämpfen will, muß also versuchen, den Menschen einen Horizont zu geben, in welchem sie immer gleich eine ganze Menge mitsehen. Eine ganze Menge wesentlicher Dinge.

Zu dem Zweck erzählen sich Gestimmte / Suchende seit alters her Geschichten. Sie sammeln Gleichnisse, Sprichwörter, Fabeln, Märchen und auch bekennende Zeugnisse, insbesondere religiöser Art, um sich einen Horizont zu geben, in welchem sie genug vom Leben überblicken, um nicht ständig Dummheiten zu begehen.

Es ist dies ein individueller Ansatz, die natürliche Herangehensweise an das Problem der Zivilisierung von Leuten, welche zumeist unorganisiert sind und auch nichts mit Organisationen am Hut haben.

Sie bedenken bei sich, was weise ist, und warum. Und dann suchen sie, ihre gewonnenen Einsichten in Form von Bildern, Sprüchen und Erzählungen verschiedener Art zu kommunizieren, hoffend, daß auf diese Weise manche Dummheit künftig unterbleiben wird.

Das ist kein Masterplan. Es ist genau das Gegenteil davon, Stückwerk, hier ein bißchen und da ein bißchen.

Platon knüpft daran an, wenn er im Gewande von Erzählungen Denktechniken lehrt, nämlich Dialog, das Sammeln und Verbinden von Verhältnissen, in welchen ein Gegenstand steht, und Dialektik, die Abgrenzung verwandter Begriffe von einander.

Er geht also einen Schritt weiter, indem er der Suche nach Einsichten Methoden gibt, denn die Einigung auf bestimmte Methoden stellt schon eine Form der Organisiertheit dar, Methoden sind bereits primitive Institutionen.

Ich selbst habe die Technik der Dialektik verwendet, um mein Zeugnis an's Licht zu bringen. Neue Methoden habe ich nicht zu lehren. Allerdings habe ich die von Hegel verursachte Begriffsverwirrung bezüglich Dialog und Dialektik ausgeräumt. Dia bedeutet auch nicht zwei, sondern durch. Der Begriff entspringt also nicht dem Zählen der Sprechenden à la Monolog, Dilog, Trilog, Tetralog, Pentalog und so weiter.

Die höheren wissenschaftlichen Institutionen beginnen hingegen mit Aristoteles. Die Standardisierung von Modellen, die Beschreibung von Experimenten und so weiter.

Da kann schon vieles falsch gemacht werden, indem der Praxis halber vieles verdeckt wird. Zugleich läßt sich so aber schnell Fahrt aufnehmen. Wenn man so will ein Beispiel für das Wetten auf eine Ressource, von welchem ich im letzten Beitrag sprach, nur halt im geistigen Bereich.

Aber auch wenn ich die dialektische Methode, die Abgrenzung verwandter Begriffe von einander, verwendet habe, so ist das eigene Zeugnis selbstverständlich nie ein technischer Akt, sondern letztlich der Inspiration geschuldet.

Gut, das ist der individuelle Bereich, und die Anfänge des organisierten habe ich auch sichtbar gemacht. Aber was immer der organisierte Bereich auch Großes zu leisten vermag, auf die Dummheit des Einzelnen nimmt er keinen Einfluß. Alles, was er diesbezüglich ausrichten kann, ist, dafür zu sorgen, daß sich die Dummheit der Einzelnen nicht auswirkt, beispielsweise indem er die Dummen von Entscheidungsstellen fernhält, oder auch indem er die Dummen wie Hunde abrichtet, damit sie von ihrer Entscheidungsfreiheit keinen Gebrauch machen.

Dies ist nicht mein Geschäft. Ich könnte jeden Tag etliches schreiben, um der Abrichtung entgegenzuwirken, welche den Menschen Tag für Tag zu Teil wird, um sie dazu zu bringen, auf der ihnen vorgezeichneten Bahn voranzuschreiten.

Teil dieser Abrichtung ist umgekehrte Dialektik. Nicht werden verwandte Begriffe von einander geschieden, sondern reichlich unverwandte Begriffe mit einander identifiziert. Wo dies Statt hat, kann der Betroffene nicht mehr widerspruchsfrei denken, und ist entsprechend eher geneigt, schlicht das zu tun, was von ihm erwartet wird.

Ein Beispiel einer solchen Identifizierung wird zur Zeit durch die Begriffe Souveränität und Xenophobie gegeben. Es stimmt schon, daß man seine Souveränität schätzt, weil man xenophob ist, aber dasselbe bedeuten die beiden nicht. Und xenophob ist dabei auch im weitesten Sinne zu verstehen: Man traut letztlich niemandem außer sich selbst so ganz.

Das ganze läuft also darauf hinaus, den Gedanken zu tabuisieren, daß man selbst besser wissen könnte, was gut für einen ist, als andere.

Es ist unverschämt und kaum verhohlen. Und Teil der täglichen Propaganda.

Nun, die Zeiten sind so. Soll man gegen Windmühlen kämpfen? Oder versuchen, einen Weg aus dem Schlamassel aufzuzeigen?

Man wird nicht klüger, indem man gegen Windmühlen kämpft. Und es kostet einen viel Leben.

Allerdings, weil es gar so laut und unverschämt im Lande tönt, auch noch diese Klarstellung.

Ein Ideal ist etwas, was sich teilen läßt, ohne weniger zu werden. Genauer gesagt eine Haltung, welche man um ihrer selbst Willen annimmt.

Nehmen Weitere die selbe Haltung an, so wird dies, im Falle eines Ideals jedenfalls, begrüßt.

Aber für unsere Zwecke hier genügt die erste Feststellung.

Wird Macht weniger, wenn man sie teilt?

Ja.

Also ist Macht kein Ideal.

Wird Freiheit weniger, wenn man sie teilt?

Ja.

Also ist Freiheit kein Ideal.

Ist die Beziehung zwischen erstem und zweitem Beispiel zufällig?

Nein, denn Freiheit ist die Macht, welche ich augenblicklich habe.

Bei Macht muß man immer etwas vorsichtig sein, was damit gemeint ist. Im letzten Beitrag nannte ich sie das zeitlich Mögliche. Dieses besteht darin, was zu einer bestimmten Zeit verwirklicht werden kann.

Damit ist aber nicht gemeint, daß diese Verwirklichung im selben Augenblick stattfinden muß. Ebensowenig, wie damit gemeint war, daß diese Verwirklichung irgendwann einmal herbeigeführt sein wird, denn das war ja das Mögliche schlechthin.

Es gibt also zeitlich bedingte Unterschiede zwischen Freiheit, Macht und dem Möglichen. Freiheit ist, was jetzt in diesem Moment werden kann, Macht, was im Rahmen eines Auftrags werden kann und das Mögliche, was jenseits dieser beiden werden kann.

Und es ist so, daß, was zeitlich näher liegt, immer vom zeitlich ferneren zehrt. Die Freiheit zehrt von der Macht, daher das Motiv, sich zu benehmen, und die Macht zehrt, wie im letzten Beitrag beschrieben, vom Möglichen.

Oder, um diesen Sachverhalt nicht komplizierter zu machen als er ist: Man kann einen Kuchen nicht essen und ihn behalten.

Darum geht es hier aber gar nicht.

Es wäre obszön, wenn sich einer hinstellte, und sagte: Unsere Macht ist uns das Höchste!

Dabei ist das weit zivilisierter, ernster und tiefer, als wenn sich einer hinstellt und sagt: Unsere Freiheit ist uns das Höchste!

Freilich, wo letzteres seit alters her gesagt wird, in Hamburg etwa, ist damit keineswegs die augenblickliche Macht gemeint, sondern die Macht selbst.

Und warum auch nicht?

Nur, dieses anzuerkennen, setzt bestimmte Urteile voraus.

Handelt es sich bei folgendem Spruch um ein Ideal?

Ein Hamburger kniet vor niemandem!

Durchaus. Das ist eine Haltung, welche um ihrer selbst Willen angenommen wird und bei der man sich (als Hamburger) darüber freut, wenn sie auch noch andere (Hamburger) annehmen.

Was dahinter steht, ist die Einsicht, daß man selbst am besten weiß, was gut für einen ist, und daß man erwartet, daß Hamburg groß genug ist, um hinreichend komplexe Aufgaben eigenständig bewältigen zu können.

Also, um auf den Kern der Sache zu kommen, Subsidiarität ist ein Ideal.

Aber Subsidiarität ist nicht die Freiheit des Einzelnen, sondern seine freiwillige, das heißt einverständliche Einbindung.

Und dann ist es natürlich so, daß jeder, welcher mit anderen zusammen einen durch irgendwelche Ideale bestimmten Rahmen gefunden hat, dessen Teil er gerne ist, sich auch wünscht, daß dieser Rahmen mächtig sei.

Daran ist nichts anstößig.

Anstößig ist nicht die Macht als ein absolutes Ding, sondern die Unfähigkeit, sie höheren Prinzipien unterzuordnen.

Nur heute ist es halt so, daß dies das gemeine Volk nichts anzugehen hat, da es zu dumm sei.

Allerdings, der Sinn von Idealen besteht darin, freiwillig zu geben.

Und nur das Volk kann geben.

Eliten nehmen.

Immer.

Mit anderen Worten, wenn das Volk keinen Idealen folgt, dann auch niemand sonst.

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