Bereitschaftsbeitrag

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23. September 2014

Spöttische Erleichterung

Nachdem ich nun ernsthaft darüber nachgedacht habe, was das Wesen von 21 Städten ist, bin ich auf ein ausgesprochen eigenartiges Phänomen gestoßen:
Es gibt Städte, deren Geist sich aus ihrer Funktion ableitet, und es gibt andere Städte, deren Geist aus einem willkürlich gewählten Flair besteht.
Alle mir bekannten deutschen Städte gehören zur zweiten Sorte, alle mir bekannten nordeuropäischen Städte gehören zur ersten und was die amerikanischen Städte betrifft, so scheinen die größeren eher zur ersten und die kleineren eher zur zweiten zu gehören (1: New York, Atlanta, Miami, Fort Lauderdale. 2: New Orleans, Savannah, Key West.)

Der Grund, warum Fort Lauderdale aus der Reihe tanzt, scheint klar genug: Es ist schlicht zu leicht, dort viel Geld zu verdienen.

Ursprünglich, denke ich, wird der Geist jeder Stadt ihrer Funktion entsprochen haben, aber bei manchen hat er sich dann irgendwann einmal verschoben.

Kiel ist dabei ein besonderer Fall, der Geist der kaiserlichen Marine hat sich sozusagen im ähnlichst möglichen Gewand erhalten, aber sonst?

Sonst scheint mir mehr als eine bloße Reduktion einstiger Größe vorzuliegen, es ist vielmehr eine geradezu lustvolle Hinwendung zu einem Attitüdenfetisch.

Nur, warum findet sie statt? Oder warum findet sie nicht statt?

Wenn sie irgendwo nicht stattfindet, so bleibt die Funktion der Stadt ihren Bürgern bewußt, und umgekehrt?

Genügt es, daß den Bürgern die Funktion ihrer Stadt bewußt ist, damit ihr Geist jener entspricht?

Nein, das genügt nicht. Sie müssen darüberhinaus Freude an dieser Funktion empfinden, was also vergällt sie ihnen?

Ein Grund wäre selbstverständlich die Änderung der Funktion hin zu einer weniger bedeutenden, so daß sich der alte Geist gegen den Geist der neuen Funktion sträubt, nur wieso sollte das deutschen und amerikanischen Städten widerfahren und nordeuropäischen Städten nicht?

Ihnen ist durchaus dasselbe widerfahren, sie sehen es nur anders. Ihre Funktionen haben sich geändert, aber nicht absolut, sondern nur im Vergleich zu anderen Städten. Es ist der relative Bedeutungsverlust, welcher den Geist der einen bricht und den der anderen nicht.

Es ist dies eine Haltung, welche auf den Verlust der Führung mit Albernheit reagiert - und dadurch die Voraussetzungen dafür schafft, sich und andere in Schwierigkeiten hineinzureiten.

Der tiefere Sinn dessen ist wohl die stete Erneuerung der Führungsqualifikation, aber im Kleinen ist dieses Verhalten besser aufgehoben als im Großen. Letztlich spricht aus ihm sogar eine grundsätzliche Unkenntnis aller Größe: Nichts bedarf der Umstände, alles wird zu allen Zeiten mit gleicher Leichtigkeit vollbracht.

Aber das stimmt natürlich nicht, die Äfferei wäre gefährlich, wenn sie alle Lebensbereiche umfaßte - was sie allerdings auch wieder nicht tut. Es ist ein partieller Zynismus, eine spöttische Erleichterung.

Einzig, der Mensch wirft sich so immer ein Stück weit weg, er muß sich immer erst wieder einholen, wenn er bei sich sein will. Und so leben in den Städten der zweiten Sorte lauter Menschen, welche sich irgendwo in ihrer Rumpelkammer abgestellt haben.

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