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15. März 2015

Prüfungsszenarien

Daraus, daß ein Jeder denkt, da zu sein und dieses Da-Sein jemandem oder irgendetwas zu schulden, ergeben sich recht verwickelte Gedankengänge.

Wer seine Schuld begleichen will, fäßt sein Dasein als Prüfung auf: Ihm wurde etwas gegeben, und es liegt an ihm zu zeigen, was er daraus zu machen im Stande ist. Das ist ganz elementar, die Folge der Vorstellung, daß sich an das eigene Dasein eine Erwartung knüpft.

Welcher Art dabei aber die Prüfung ist, hängt natürlicherweise von dem ab, was einer als ihm gegeben betrachtet: sein Gewissen, seine Funktion, sein Talent. Doch es ist eben nicht so einfach, wie sich für Sorge, Achtung oder Lust zu entscheiden, denn das Höhere hierbei steht zugleich in der Verantwortung des Niederen.

Wenn jemand beispielsweise eine Funktion ausfüllt, in welcher er Möglichkeiten besitzt, seinem Gewissen zu entsprechen, welche er außerhalb ihrer nicht besäße, so wird ihn die Sorge ermahnen, sich diese Möglichkeiten zu bewahren, was bereits dann befremdlich scheint, wenn ihm die Funktion persönlich nichts bedeutet, und noch viel mehr, wenn sie ihm gar verhaßt ist.

Doch es ist ja so, wie es sich damit auch verhält, immer stellt sich die Frage, was denn geschähe, wenn ein anderer diese Funktion ausfüllte, und damit zusammenhängend, ob man vernünftigerweise hoffen darf, die Prüfung des eigenen Daseins zu bestehen, wenn man dasjenige, was einem selbst gegeben wurde, an ihn abgibt.

Die einzige sichere Abtrittsbegründung betrifft doch das eigene Talent, wenn es andere gibt, deren Gewissen dem eigenen für die Ausfüllung der Funktion hinreichend ähneln, welche das eigene Talent nicht vermißt werden lassen. Wenn die eigene Besetzung dieser Funktion also von jedem unvoreingenommenen Beobachter als ein Fehler betrachtet werden muß oder man sich doch wenigstens guten Gewissens nach einer interessanteren Aufgabe umsehen darf.

Im Normalfall aber weiß man nicht, ob man die Stelle besser räumen sollte oder nicht. Eine Reihe von Greueltaten mag erst eine systemische Verbesserung von innen heraus ermöglichen (was auch Feldherren betrifft, wenn man das militärische Kräftespiel als ein System betrachtet), viele kleine Erfolge am Ende doch nichts wert sein, weil sie sich zu nichts Bleibendem fügen und man seine Zeit besser auf etwas anderes verwendet hätte.

Der Mensch entwirft also sein eigenes Prüfungsszenario, gibt sich die zu bewältigende Strecke vor, und kann am Ende nichts Genaues über seinen Erfolg sagen.

Wenn er es so anfäßt. Leben ohne Gotteserfahrung ist ein Gegenstand, nicht aber ein Ding der Muße, ein Aufschluß über das eigene Herz ist ein untilgbarer Erfolg, zu wissen, welches Ziel es verfolgt, und sei es nur Etappe, und in einem Gebet kann sich die an unser Dasein geknüpfte Erwartung erfüllen.

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