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10. Juni 2015

Entscheidungen und die Rechenschaften der begründenden Ideen

Ich habe im Beitrag Ideen und die Überpersönlichkeit der Seele einen kleinen Fehler begangen, als ich die Haltungen direkt in die Liste der begründenden Ideen aufgenommen habe. An ihre Stelle gehören die Entscheidungen, welche in der Folge in Taten und Haltungen zerfallen, wobei Haltungen darin bestehen, Verhaltensregeln für sich anzunehmen.

Entscheidungen sind dabei, wenn man so will, private Erwartungen, welche sich indes von den eigentlichen, göttlichen, Erwartungen dadurch unterscheiden, daß man nicht unbedingt an sie glaubt, was bei Taten freilich nur möglich ist, wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstrecken; ansonsten kann man den Erfolg seines Tuns ja beobachten.

Wenn Sie spitzfindig sind, werden Sie sagen, daß dasjenige, welches man tut, immer gelingt, weil man es ansonsten ja nicht getan hätte, aber wer gerade die Türklinke herunterdrückt, würde der Aussage, daß er gerade die Tür öffnet, wohl zustimmen, auch wenn er nicht weiß, ob sie verschlossen ist oder nicht.

Der Punkt ist, daß wir in unserem Denken immer Absichten folgen, also stets Vorstellungen davon, was wir gerade tun, besitzen. Es kann auch nicht anders sein, denn selbst die Anspannung eines Muskels ist noch so eine Vorstellung, und es ist nicht unbedingt gesagt, daß uns seine Anspannung tatsächlich gelingt. Dennoch, an einem bestimmten Punkt entscheiden wir uns zur Tat und wissen das auch, und zwar, wie gesagt, durch (Miniatur-)Bestürztheiten. Und unsere Wahrnehmung dessen ist nicht rein Rechenschaft gebend, nicht rein vergangenheitsbewältigend, denn viele Taten besitzen eine zeitliche Ausdehnung (außer den Besinnungen alle), und wir müssen unsere Taten während dieser Zeit steuern, wozu wir sie als gegenwärtig stattfindend wahrnehmen, das heißt ihrem gegenwärtigen Stattfinden zustimmen.

Ein reiteriertes Beispiel dessen, daß unser Bewußtsein nie bei der Tat selbst ist, sondern immer nur bei dem, was sich aufgrund ihrer beobachten läßt, zeigt sich, wenn wir uns kratzen. Auch die Anspannung unserer Finger beobachten wir, aber sie spielt in unserer Absicht, wenn wir uns kratzen, keine Rolle, sondern nur, wie sich das Kratzen anfühlen soll. Naturgemäß können wir dabei nicht wissen, ob es sich tatsächlich so anfühlen wird, aber wir wissen, daß wir uns entscheiden, weil wir Bestürztheit spüren, und wir sagen, daß wir uns kratzen, weil wir dabei die nämliche Absicht verfolgen, was recht eigentlich bedeutet, sich für etwas zu entscheiden, also ihm hinterherzustürzen.

Nur ist mit Hinterherstürzen nicht recht was gesagt, weshalb wir eben die Idee der Entscheidung benötigen, also um die Empfindung hinterherzustürzen als Zustimmung zu einer Entscheidung zu erklären.

Gut, kommen wir also zu den Rechenschaften der begründenden Ideen, das heißt der Detailbetrachtung der Rechenschaften.
  • Für Beobachtungen geben wir uns durch Zeugnisse Rechenschaft,
  • für Beweise geben wir uns durch Wissen Rechenschaft,
  • für Entscheidungen geben wir uns durch Verantwortung Rechenschaft und
  • für Bedeutungen geben wir uns durch Kenntnis Rechenschaft.
Wir bezeugen also, was wir beobachtet haben, wissen, was wir bewiesen haben, verantworten uns, für was wir uns entschieden haben und kennen, was wir definiert haben, wobei das Verb kennen sich auch auf das Beobachtete beziehen kann, nur ist es dann Bekanntschaft mit dem Beobachteten und nicht Kenntnis der Definition.

Wie ich bereits andeutete, gibt es im Fall der Besinnungen nur die Empfindung von Verantwortung, während uns die Empfindung der Entscheidung fehlt. Zwar empfinden wir, daß wir uns konzentrieren, und man kann sagen, daß wir uns dazu entscheiden, aber während der Konzentration gibt es keine Absicht dessen, worauf wir uns zu besinnen gedenken. Erst nachträglich können wir sagen, wir trügen dafür Verantwortung, daß es uns in den Sinn gekommen ist. Aber die Wahrheit ist wohl, daß wir diese Verantwortung auch nur partiell tragen, denn ich denke schon, daß unser Denken oftmals von einer anderen Intelligenz geleitet wird; freilich nicht unbedingt, wenn wir uns darauf besinnen, was wir zuletzt zu Mittag gegessen haben. Wie aber auch immer, für die Formalisierung unseres Denkens bedeutet das Fehlen der Absicht bei der Besinnung, daß wir einen retrospektiven Ansatz verfolgen können. Durch das Bewußtsein, sich gerade zu konzentrieren, ist offensichtlich wenig für sie gewonnen.

Abschließend möchte ich noch einmal das Schöne, Wesentliche und Mächtige betrachten, genauer gesagt die Zeitalter der Werke, Wunder und Wacht. Jedes solche Zeitalter muß in einem (oder mehr als einem) Bereich fortschreiten, für welchen wir uns Rechenschaft geben. Und ich würde sagen, es verhält sich damit wie folgt.
  • Der Fortschritt der Werke beruht (zuvörderst) auf dem Fortschritt der Begrifflichkeit (einem Teil der Haltung),
  • der Fortschritt der Wunder beruht (zuvörderst) auf dem Fortschritt der Beobachtungen und
  • der Fortschritt der Wacht beruht (zuvörderst) auf dem Fortschritt der Taten.
Dies deckt sich mit den zuvor genannten Mitteln der Zeitalter, Haltung, Beschäftigung und Freundeskreis, wenn man bedenkt, daß die Begrifflichkeit der am stärksten rückgekoppelte Teil der Haltung ist, also für die Entwicklung der Ethik am wesentlichsten, die eigene Beschäftigung in erster Linie davon abhängt, was man beobachtet hat, und die Verwurzelung im Freundeskreis eine Funktion übernommener Verantwortungen ist, wobei Taten im konkreten Lauf der Dinge ein größeres Gewicht besitzen als Haltungen.

Nicht, daß diese Betrachtungen von großem formalen Interesse wären, aber sie geben doch einen Eindruck vom Wesen der verschiedenen Zeitalter.

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