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9. Juni 2015

Seelische Schmerzen und Wege ihrer Auflösung

Der Beitrag Die zurückführenden Stimmungen ist, notwendigerweise, aufgrund meiner damals noch fehlenden Durchdringung des Zusammenhanges zwischen den Bestürztheiten und den spirituellen Warnungen, siehe Ideen und die Überpersönlichkeit der Seele, unvollständig, indem er nur den Schuldkomplex und den Trauerkomplex behandelt, und stellt darüberhinaus auch das Wesen der Beziehung zwischen diesen beiden nicht klar genug heraus.

Wie ich im zuletztgenannten Beitrag schrieb, befinden wir uns zu jeder Zeit in einem Jetzt der Beschlossenheit, über welches uns unsere Erwartungen Aufschluß geben, das heißt, sie geben uns darüber Aufschluß, woraus unsere jeweils jetzige Beschlossenheit besteht.

Wir erhalten aber auch noch auf eine andere Art Aufschluß über diese Beschlossenheit, und zwar durch Seelenschmerzen, welche uns die Lebenslust verursacht, weil unsere jetzige Beschlossenheit ihr im Wege steht.

Einen solchen Schmerz habe ich bereits angegeben, die Schuld. Und auch den Weg ihrer Überwindung, die Buße. Bußfertigkeit bedeutet, seine Haltung anzupassen, um der göttlichen Einsicht nicht verlustig zu gehen. Sie führt von Verworfenheit über Geduldetheit zurück zur Beschlossenheit der Gnade Gottes durch verliehene Einsicht.

Reue ist dabei der Motor der Bewegung. Und entsprechend sollten wir finden, daß auch die spirituellen Warnungen der Mahnung und Trauer Motoren von Bewegungen sind, wobei hier eine gewisse begriffliche Schwierigkeit vorliegt, denn diese Warnungen sind viel spezifischer als das, wonach sie benannt sind, Mahnung und Trauer. Ich kann also nicht einfach Mahnung oder Trauer schreiben, wenn ich sie meine. Stattdessen werde ich von Schicksalsmahnung und Lebenstrauer sprechen.

Und so ist es auch. Es gibt nicht nur einen Schuldkomplex, sondern auch einen Unwert- und einen Verstoßenheitskomplex. Ich werde sie hier zunächst alle drei nach einander angeben.

Der Schuldkomplex.
Gefallen: Ergebenheit,
Mißfallen: Schuld,
Vermissen: Reue,
Scheuen: Erschaudern,
Zuversicht: Geduldetheit,
Sorge: Verworfenheit,
Verpflichtung: Buße.

Der Unwertkomplex.
Gefallen: Achtung,
Mißfallen: Unwert,
Vermissen: Schicksalsmahnung,
Scheuen: Selbstwertgefühl,
Zuversicht: Ermattung,
Sorge: Albdruck,
Verpflichtung: Gehorsam.

Der Verstoßenheitskomplex.
Gefallen: Verwurzeltheit,
Mißfallen: Verstoßenheit,
Vermissen: Lebenstrauer,
Scheuen: Statusangst,
Zuversicht: Stärke,
Sorge: Schwäche,
Verpflichtung: Selbständigkeit.

Es ist bei allen diesen Komplexen so, daß ein Gut aufgrund einer unglücklichen Tendenziösität der zu Grunde liegenden Bestürztheit verloren geht und dies seelische Schmerzen verursacht, welche unter Umständen zu Aufwallungen gegen das augenblicklich Beschlossene führen und über den Weg der Verpflichtung zum verlorenen Gut zurück.
  • Wo die Grausamkeit fehltritt, das Erschaudern nicht Einhalt gebietet, da regt sich wohl die Reue um die verlorene Ergebenheit, und die Buße muß die Schuld tilgen.
  • Wo die Unbedingtheit fehltritt, das Selbstwertgefühl nicht Einhalt gebietet, da regt sich wohl die Schicksalsmahnung an die verlorene Achtung, und der Gehorsam muß den Unwert tilgen.
  • Wo die Folgsamkeit fehltritt, die Statusangst nicht Einhalt gebietet, da regt sich wohl die Lebenstrauer um die verlorene Verwurzeltheit, und die Selbständigkeit muß die Verstoßenheit tilgen.
Diese Rückkehr auf den rechten Weg ist zugleich ein Übergang von einer Normalität zur anderen, wobei die Buße wie gesagt die eigene Haltung korrigiert, und allgemein haben wir:
  • Die Buße korrigiert die eigene Haltung,
  • der Gehorsam korrigiert das eigene Wirkungsfeld und
  • die Selbständigkeit korrigiert den eigenen Freundeskreis.
Der Sinn seelischer Schmerzen besteht also darin, uns auf die Mißlichkeit des für uns beschlossenen Jetzt hinzuweisen, auf die Trübheit unserer Erwartungen, auf den Schrecken dessen, woran wir glauben, um uns die Möglichkeit zu geben, all das zu ändern.

Trauer allerdings, siehe den nachstehenden Trauerkomplex, bedeutet, nichts zu tun, sondern abzuwarten.

Der Trauerkomplex.
Mißfallen: Trauer,
Zuversicht: Trost,
Sorge: Bescheidung.

Sie ist notwendig, weil man manches Mal auch schlicht nichts machen kann, aber es ist gefährlich, sich trösten zu lassen, wenn die eigenen Erwartungen düster sind.

Anmerkung. Lebenstrauer ist nach dem vorigen keine Trauer. Allgemeiner sind Formen des Vermissens Formen der Kühnheit und Formen des Scheuens Formen der Angst, Lebenstrauer und Schicksalsmahnung also Formen der Kühnheit (auch wenn das ihre Benennung sehr unglücklich erscheinen läßt), wohingegen Trauer eine Stimmung ist, ebenso wie alle Formen des Gefallens und Mißfallens, der Zuversicht, Sorge und Verpflichtung. Man bemerke weiterhin die hiesige Einordnung der Ergebenheit, welche die etwas unklaren Bemerkungen im Beitrag Die Stimmungen des Waltens der Sorge präzisiert.

Freilich wäre es schön, dies alles ordnete sich weniger mißverständlich, aber das Problem bei allem diesen ist die Perspektive. Man kann ja sagen, man hätte sein Leben verloren, und trauerte nun um es, oder wäre dabei sein Schicksal zu verlassen, und würde nun daran gemahnt, aber diese Gefühle drücken die Kühnheit aus, das augenblicklich Beschlossene zu ändern, doch andererseits können wir verschiedene Dinge zugleich fühlen.

Dennoch, ich denke, das Schöne, Wesentliche und Mächtige sind sehr viel klarer geworden.

Das Schöne.
Situation: Beklommenheit,
Ansatz: Grausamkeit,
Methode: Einsicht,
Mittel: Haltung,
Ziel: Behaglichkeit,
Korrektur: Buße.

Das Wesentliche.
Situation: Besessenheit,
Ansatz: Unbedingtheit,
Methode: Anpassung,
Mittel: Beschäftigung,
Ziel: Fröhlichkeit,
Korrektur: Gehorsam.

Das Mächtige.
Situation: Betretenheit,
Ansatz: Folgsamkeit,
Methode: Geburt,
Mittel: Freundeskreis,
Ziel: Zärtlichkeit,
Korrektur: Selbständigkeit.

Die urbildlichen Verhaltensformen sind dabei Formen des Gebärens, im Sinne eines instinktiven Einverständnisses zeugungsgeleiteten Zusammenlebens, also die natürliche Verfassung einer Gesellschaft im Zeitalter der Wacht, welche auf diese Weise die Reinheit der Seelen überwacht, siehe Das Pantheon der urbildlichen Verhaltensformen.

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