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8. Juni 2015

Ideen und die Überpersönlichkeit der Seele

Ideen, in meinem Gebrauch des Begriffs, sind Aussagen, an denen wir einsehen können, daß wir ihnen zustimmen.

Es gibt sechs verschiedene Arten von Ideen, die zeitlichen,
  • Rechenschaften für die Vergangenheit und
  • Erwartungen für die Zukunft,
und die begründenden,
  • Beobachtungen für das sich Darstellende,
  • Beweise für das einzig Mögliche,
  • Haltungen für das selbst Gewählte und
  • Bedeutungen für das Gesonderte.
Wir stimmen einer Rechenschaft zu, wenn wir sie uns geben, und einer Erwartung, wenn wir sie erwarten. Beobachtungen stimmen wir zu, wenn sich etwas entsprechend darstellt, Beweisen, wenn sich etwas entsprechend verhalten muß, Haltungen, wenn wir uns entsprechend halten (im Sinne von Ja, ich halte mich so.) und Bedeutungen, wenn etwas in der Besonderheit der Beschaffenheit von etwas liegt, das heißt per definitionem so ist, wie es ist.

Haltungen sind dabei, technisch gesehen, ausgezeichnete Bedeutungen, das heißt Bedeutungen, welche unser Verhalten beschreiben, beispielsweise die Zuordnung von Wörtern zu Begriffen eines Wörterbuchs unserer Muttersprache.

Mit anderen Worten, daß ein Kreis Kreis heißt, dem kann man entweder im Sinne von Ja, so nenne ich ihn. zustimmen oder im Sinne von Ja, das entspricht der Bedeutung der deutschen Sprache. Der Bedeutung des Begriffes Kreis entspricht es beispielsweise hingegen, daß er keine Ecken im Sinne unterschiedlicher Limiten bei der Tangentenbestimmung besitzt, jedenfalls so lange wir vom natürlichen Begriff ausgehen und nicht von seiner mathematischen Definition, in welchem Fall es sich bei der Sache mit den Ecken nicht um Bedeutung, sondern um eine beweisbare Eigenschaft handelt. Ein Kreis hat keine Ecken. ist dann also keine Idee mehr, wohl aber der Beweis, daß es sich so verhält. Angehende Mathematikstudenten können ein Lied von der Verwirrung singen, welche diese Ideentransformation erzeugt, vergleiche auch Mathematik am Beispiel des Satzes des Pythagoras.

Ich möchte damit die Darstellung der Ideen im allgemeinen beschließen, der Meinung, daß die Vollständigkeit ihrer Unterteilung anhand der übergeordneten Aspekte, wenn nicht bewiesen, so doch individuell nachprüfbar gemacht worden ist, und mich den Erwartungen im besonderen zuwenden.

Erwartungen und Geschick.

Lassen Sie mich damit beginnen zu behaupten, daß es sieben Arten von Erwartungen gibt, sechs persönliche und eine unpersönliche. Die persönlichen zerfallen in zwei Dreiergruppen, die positiven und die negativen, welche jeweils mit den drei Bestürztheiten zusammenhängen.

Das Ziel dieser Betrachtung ist nun nichts weniger, als nachzuweisen, daß diese Struktur unserer Erwartungen die Existenz einer göttlichen Intelligenz mehr als nur nahelegt.

Der Schlüssel zu dieser Einsicht liegt in der Beobachtung, daß drei der spirituellen Warnungen unmittelbar mit unseren Bemühungen ums Schöne, Wesentliche und Mächtige zusammenhängen, und zwar
  • Enthebung in Beklommenheit zu Reue führt, wenn das beschlossene Schöne verletzt wird,
  • Auslieferung in Besessenheit zu Mahnung, wenn das beschlossene Wesentliche verletzt wird und
  • Unterwerfung in Betretenheit zu Trauer, wenn das beschlossene Mächtige verletzt wird.
Um an dieser Stelle begriffliche Verwirrung zu vermeiden, ist es erforderlich, von willkürlicher und unwillkürlicher Besessenheit zu sprechen. Die spirituellen Warnungen sind Beispiele unwillkürlicher Besessenheit, das bewußte Anstreben (subjektiv) voranschreitender transzendenter Akte hingegen ist willkürliche Besessenheit, und nur letztere kann sich gegen das Beschlossene wenden, wohingegen erstere Angst und Schrecken der spirituellen Warnungen erzeugt.

Wir sehen also, daß spirituelle Warnungen unserer Intelligenz entgegentreten. Aber betrachten wir das genauer.

Was wir persönlich erwarten, hängt von unserer Bestürztheit ab.
  • Sind wir beklommen, so erwarten wir Einsichten, um uns in unvermeidlichen Konfrontationen zu retten,
  • sind wir willkürlich besessen, so erwarten wir Anpassungen an uns, um aus unserer Ohnmacht befreit zu werden und
  • sind wir betreten, so erwarten wir Geburten, welche uns den Weg zu neuen Ufern ermöglichen.
Wir erwarten auch deshalb Geburten, weil wir auf die Vollendung eines Werkes hinarbeiten, welches wir uns selbstverständlich fruchtbar denken, vergleiche Eine Erkundung des menschlichen Geschicks. Unterwerfung zu (subjektiv) zurücksetzenden transzendenten Akten ist dabei eine Form der Geburtsbitte, Auslieferung zu (subjektiv) voranschreitenden transzendenten Akten eine Bitte um Anpassung der Welt.

Aber es sind eben nicht nur positive Erwartungen, sondern auch negative, wenn wir also keine Einsichten erwarten, und deshalb Reue empfinden, keine Anpassung, und deshalb Mahnung, und keine Geburt, und deshalb Trauer.

Verlieren wir ein paar Worte zu diesen Verletzungen des Beschlossenen. Gott leitet nur den, wer sich um ihn bemüht, wer ihm den Rücken kehrt, von dem wendet auch Gott sich ab. Wer das Schöne mit Füßen tritt, muß erkennen, daß Gott ihn verlassen wird, wenn er nicht Buße tut. Wer hingegen meint, seine privaten Befindlichkeiten gegen das Wesentliche in Stellung bringen zu müssen, wird ermahnt: Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen! Und wer meint, er könne Unfruchtbares zur Geburt bringen, den wird der kalte Atem der Trauer umwehen.

Unsere Erwartungen geben uns also Aufschluß über das Beschlossene, im Positiven wie im Negativen. Aber das Beschlossene ist immer nur innerhalb einer bestimmten geistigen Verfassung beschlossen, und wenn sich unsere geistige Verfassung ändert, so ändert sich auch die göttliche geistige Verfassung ein Stück und über sie auch die anderer Menschen. Es ist also immer alles nur für die Gegenwart beschlossen, wenn man es streng nimmt, wir wissen, was wir zu erwarten haben, wenn wir etwas jetzt versuchen. Indes ändert sich dieses Jetzt nicht von alleine.

Bleiben die unpersönlichen Erwartungen, unter welche auch die verbliebenen spirituellen Warnungen, also die Ahnungen fallen. Im Gegensatz zu den anderen Formen der Erwartung kann hier so ziemlich alles erwartet werden, wobei das erschreckendste Beispiel sicherlich durch die Johannesoffenbarung gegeben ist, welche darüberhinaus zeigt, wie viel bereits Jahrtausende zuvor beschlossen war, woran sich alldieweil nichts geändert hat.

Anmerkung. Ich hatte im Beitrag Eine Erkundung des menschlichen Geschicks behauptet, Taten könnten nur in Betretenheit und Beklommenheit münden, nicht aber in Besessenheit. Das gilt für willkürliche Besessenheit, nicht für unwillkürliche, wofür Reue das nächstliegende Beispiel liefert. Wahrscheinlich geht es bei der Nichtigkeit aller Taten, welche sich in den Upanischaden findet, gerade um diesen Punkt.

Wenn ich meine Erwartung erforsche, so finde ich dort den Glauben an die Geburt einer Zeit, in welcher die Menschen sich die Möglichkeit der Anpassung der Welt an sie erschließen. Darin bleibe ich des mir gewährten Lebens Knecht. Aber es ist noch hin. Von den Heutigen erwarte ich diese Erschließung nicht, die allermeisten haben noch andere Sorgen.

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