Bereitschaftsbeitrag

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31. Mai 2015

Das Dogma von der totalen Revidierbarkeit aller Verhältnisse

Die Grundhaltung des Westens scheint zu sein, daß, so lange es einem gut geht, es in Ordnung geht, wenn ein anderer auf die eigene Rechnung einkauft. Die Regierung wird als eine Art gemeinnütziger Verein gesehen, welchem man sein Konto vertrauensvoll zur Verfügung stellt.

Was ist der Grund dafür? Warum diese Flucht aus jeder realen politischen Verantwortung in ein imaginäres Mäzenentum?

Sicher, Politik ist lästig, aber muß man deshalb gleich soweit gehen, daß man gar nichts von ihr wissen kann, weil man ein Bitte nicht stören!-Schild an seine Tür hängt?

Und jene, welche in die Politik gehen, sehen es ganz genauso: Laß mal was 'rüberwachsen, damit machen wir jetzt was, bitte nicht stören!

Wäre es ein Erfinderwettbewerb, könnte man die Praxis sogar loben, vorausgesetzt erstmal gäbe es nur einen Vorschuß und erst später nach der Sichtung den eigentlichen Preis. Aber dazu müßte man sichten. Gott behüte!

Was so offensichtlich so sein muß, wie es nunmal sein muß, muß ganz offensichtlich einem tiefen Einverständnis entspringen, doch was ist es?

Es gibt unzählige Menschen, welche sich am Prozeß ihrer zunehmenden Nichtberücksichtigung aktiv beteiligen, indem sie jene unterstützen, welche die Entscheidungswege an ihnen vorbei verlegen.

Ihr Denken führt sie offensichtlich auf diesen Pfad. Was in ihrem Denken?

Versprechungen größerer Vollkommenheit bürokratischer Abläufe, sowohl innerhalb der Administration als auch in ihrem Zusammenspiel mit Bürgern und Wirtschaft, werden weshalb bereitwillig geglaubt?

Weshalb dieses: Tischt uns auf!, dieser Rückzug ins Bewirtete?

Warum glauben die Menschen im Westen, sie könnten nichts verlieren?

Und warum sagen sie nie, daß das Vorgesetzte in den Abfall wandern solle? Warum machen sie es sich stets noch irgendwie zu eigen?

Wenn die Proteste zu laut werden, werden sie beschwichtigt, aber die Sache, gegen welche sie sich richten, bleibt (Guantanamo Bay, Patriot Act...) Ausgenommen die Atomkraft in Deutschland, nach Jahrzehnten und unter recht fragwürdigen Umständen - und nicht unbedingt, weil es der Volkswille war.

Was käme bei einer Volksabstimmung über die Legalisierung von Verschlüsselungstechnologien heraus?

Würden die Menschen ihr eigenes Votum für sie akzeptieren, trotz Freude auf seiten der Mafia? Und wie sähe es mit ihrem Votum gegen sie aus, der eigenen lückenlosen Überwachung zum Trotz?

Irgendwie geht's schon weiter, nicht? Und wenn's sowieso irgendwie weitergeht, wozu überhaupt irgendwas entscheiden.

Es geht um nichts. Warum?

Warum wäre es folgenlos, wenn unsere Daten in näherer Zukunft von Geheimdiensten zum Zwecke der eigenen Finanzierung an den Meistbietenden versteigert werden?

Warum ist das alles egal?

Haben wir berechtigten Grund zu der Annahme, daß bestehende Mißstände zeitnah aufgedeckt und umgehend beseitigt werden? Und sich nicht etwa ins System fressen und nur schwer aus ihm zu entfernen sind?

Gut, Contergan wurde nach einiger Zeit aus dem Verkehr gezogen, aber wie viele solcher Beispiele gibt es?

Sie sehen, ich tappe im Dunkeln. Aber gerade denke ich, daß ich lange genug im Dunkeln getappt habe. Der tiefere Grund von allem diesen ist folgender:
Die Menschen glauben, daß, solange sich die Regierung vor ihnen rechtfertigen muß, kein Problem über ihren Kopf wachsen kann.
Die Aufklärung hat erfolgreich das Dogma von der totalen Revidierbarkeit aller Verhältnisse im Denken der Menschen verankert. Und es ist dieses Dogma, welches die Grundlage aller Moral zerstört.

Jetzt, wo ich es ans Licht gezogen habe, leuchtet das auch unmittelbar ein.

In welchen Formen begegnet uns dieses Dogma?

Da ist einmal das englische Sprichwort Courage beats plotting every time, welches es bekräftigt. Und dann ist da George Orwell's Kritik dieses Dogmas in 1984. Aus dem Kreis von G.W.Bush's Regierung hieß es, man sei an Fakten nicht interessiert, weil man sie mache. Und in Goethes Märchen von der grünen Schlange findet sich die Verheißung, das Alte aufzulösen und neu zu verbinden.

Wie man sieht, hängt es sehr vom Winkel ab, aus welchem man auf es schaut, wie einnehmend es erscheint. Es hat ein gewinnendes Lächeln, aber sein Mundgeruch stinkt nach Verwesung.

Etliche dürfte sein Lächeln täuschen, aber wer nachträglich drei Sechsen in die Ecken seiner Banknoten einfügt, für seine Soldaten den Parderlook einführt, jährlich zusammenkommt, um die Feuerbestattung der Sorge zu feiern, von detailgetreuen Nachstellungen biblischer Szenen ganz zu schweigen, scheint programmatisch zu handeln.

Napoléon wurde Antichrist genannt - und es wunderte mich nicht im geringsten, wenn er sich selbst so gesehen hätte. Die Aufklärung hat von Anfang an das Wort nicht gescheut, hat von Anfang an darauf vertraut, daß man ihr für nichts böse sein könne, daß sie sich jederzeit zu einem Umzug bunter Narren erklären könne.

Ja, jeder Einzelne ist ein bunter Narr, der Schaden liegt in dem, was er bewirbt. Und man muß es ja nicht annehmen. Man hat die Wahl. Erst dann werden die Menschen es ernstnehmen, wenn sie selbst zum Problem geworden sein werden.

Die Sache kommt direkt aus der katholischen Kirche, das ist ihr Verständnis davon, den Teufel eine Zeitlang loszulassen, die Handschrift ist unverkennbar. Wenn Sie in New York leben, ziehen Sie um. Es gibt nur eine Waffe, deren Antlitz wie die Sonne leuchtet. Und es gibt nur eine Stadt an vielen Wassern, in welcher die Könige der Welt tagen.

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