Bereitschaftsbeitrag

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10. Oktober 2016

Sich der Wirklichkeit zu stellen

Einer der unwirklichkeitsvermittelnsten Gedanken überhaupt ist der Bezug auf nicht näher bestimmte Menschen, welche alles selbstverständlicherweise genau so sehen, wie man selbst, die Zuflucht zu einem imaginären Kreis Verläßlicher, einer psychologisch gesehen heilen Welt.

Wie ich bereits mehrmals festhielt, beginnend mit dem Beitrag Touristen, ist gerade dies aber der protestantische Kernglaube, aus welchem natürlicherweise das Selbstopfer für den Unbekannten entspringt.

Nun ist dieses Selbstopfer gar nicht einmal schlecht, sondern vielmehr der Garant des Erfolges protestantischer Gesellschaften, aber es entspringt üblicherweise eben einem gequälten Geist, welcher versucht, in eine Wirklichkeit zurückzufinden, welche er nirgends vorfindet.

Daß er sein Ziel dabei überhaupt als Wirklichkeit begreifen kann, liegt daran, daß ihm nie der Unterschied zwischen Unwirklichem und Wirklichem bewußt geworden ist. Er lebt zwischen schaler Gegenwart und entrückter Zukunft, so daß ihm nur übrig bleibt, sich selbst zu entrücken.

Wenn ihn das Leiden an der Getrenntheit von der Welt indes zu einem Erleben von Gottes Gegenwart geführt hat, so hat er den Begriff des Wirklichen gewonnen, und er erkennt sein Ziel als unwirklich.

Das heißt aber wie gesagt nicht, daß er nun seinen Kurs ändern müßte, denn er wirkt ja durchaus auf das Gute hin, sondern nur, daß die Wirklichkeit seines Wirkens ihren Sitz in seinem Wesen nehmen muß, daß dieses Wirken kein versuchtes Nehmen, sondern ein Geben ist.

Und also tritt er in eine Welt, in welcher ein jeder nach seiner Façon selig zu werden trachtet, und in welcher sich also alles um seine Façon schart. Und so schief wie der Mond gerade zwischen Füllrecht und Füllhand schien, so schief mag ihm wohl so manche Façon erscheinen, aber die Sterne beschmutzt es nicht: Was hier auch herumzieht, unter dem göttlichen Gesetz bleibt doch alles, und zu dieser Weltsicht muß er kommen, dort seine Zelte aufschlagen.

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