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5. Oktober 2016

Zum Unwirklichen

Welche Auswirkung hat das Gefühl des Unwirklichen auf das menschliche Verhalten?

Ich erwähnte bereits, daß der menschliche Geist vor der Weite des Alls kapituliert, aber auf die Kinoleinwand projiziert läßt sich ein Flug an hundert Sonnen vorbei sehr wohl vorstellen und sogar als wirklich vorstellen, wiewohl das heute kaum noch zu geschehen pflegen dürfte.

Aber als diese Dinge zum ersten Mal gezeigt wurden, war es wohl anders, jedenfalls stieg dieses Gefühl in mir auf, als ich mir einmal mehr Star Trek - The Motion Picture ansah.

Ja, wenn es wirklich wäre. Die Vielfalt der passierten Sonnensysteme betäubte den Geist. In einem anderen Prozeß entstandenes Leben erschreckte einen bis ins Mark.

Daß etwas wirklich ist bedeutet, daß es Teil des Schicksals wird, oder meinetwegen Teil der Seele, was wiederum bedeutet, daß das Leben es integrieren muß, sich über es spannen, und im Bezug auf den Weltraum bedeutet es eine schauderliche Erweiterung des Bekannt Werdenden, denn was uns sonst auch immer widerfahren mag: Es ist nicht wirklich neu, etwas in uns hat auch das schon einmal erlebt, und wir wissen, wie wir uns auf es zu beziehen haben und wie mit ihm zu verfahren ist.

Deswegen tritt uns die Wirklichkeit der Welt zumeist nur als Geschäft vor Augen, als eine sattsam bekannte Aufgabe, und nicht als Frage nach unserer Rolle im Bezug auf das uns Umgebende, wiewohl uns dies unweigerlich auch einmal begegnet, wie Mr. Spock ganz richtig ebenda bemerkte.

Die Unwirklichkeit aber hebt die Weltverbundenheit insgesamt auf und reduziert die Welt damit zum Objekt des jeweils verfolgten Ansatzes, alle Sonnensysteme unserer Galaxie beispielsweise zu bloßen Knoten eines Netzes, welches zu spannen wir uns vorgenommen haben.

Wirklichkeit bedeutet Teilnahme am Treiben des Lebens, Unwirklichkeit Hinabsinken in ein (voralgorithmisches) Programm, vergleiche dazu auch den Beitrag Verkörperung, Spiel und Routine, sowie die Beiträge zu den Topoi des Wesentlichen und der Transzendenz.

Ironischerweise ist Star Trek ja selbst der eigenen begrifflichen Verfehlung zum Opfer gefallen: Der Mensch gibt sich keinesfalls selbst Bestimmung, sondern nur Programm, und Programm wird auf Dauer langweilig. Des Menschen Stimmung macht sich zuletzt bemerkbar und heischt Gehör, siehe Die Stimmungen des Waltens der Sorge, sowie zum ganzen Gegenstand der Betrachtung hier Tarkowskis Film Solaris, in welchem er sich der Schwierigkeit des Einbeziehens des Fremden stellt.

Eine Schwierigkeit, vor welcher der Mensch heute nicht angesichts der Weite des Alls steht, sondern angesichts der Gesetze, welche sein Beisammensein beherrschen, in welchen sich nicht sein Wesen, sondern seine Ohnmacht ausdrückt: Trägheit, Formelgläubigkeit und Unzuverlässigkeit.

Und unter diesem Fremden lebend atrophiert sein Sinn für's Wirkliche, denn überall zerrt ihn die Welt ins Programm: Nicht nur bietet sie nichts Natürliches an, sie bedrängt gar den, welcher sich einmal auf es verlegt.

Indes ist das Versprechen der Teilnahme an der Schöpfung, welches allen Geschöpfen gegeben ist, nicht an bestimmte Externalia gebunden, immer muß es von der Quelle her erneuert werden, und die gegenwärtige Unwirklichkeit ist nur die Wüste, in welcher die Einsicht, zum ersten Quell zurückzukehren, reift.

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