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27. Mai 2019

Entwertung der göttlichen Geister durch Wahrheitsverlust

Die Geister Gottes möchte für den hiesigen Zweck wie folgt zusammenfassen:
  • rechtes Wollen durch Gerechtigkeit und Vorbildlichkeit,
  • rechtes Wahrnehmen durch Liebevollheit und Treue und
  • rechtes Tun durch Ordnungschaffung und Barmherzigkeit.
Das rechte Wahrnehmen kann man auch als Hilfsbereitschaft oder den Wunsch, nützlich zu sein, beschreiben.

Die Deutschen begreifen Heiligkeit vornehmlich als rechtes Wahrnehmen, die Franzosen als rechtes Wollen und die Amerikaner als rechtes Tun. Daß das rechte Tun der Amerikaner auf irgendeine Weise entwertet ist, ist offenbar, aber ich kenne die dortige Lage nicht hinreichend genau, um die Gründe dafür zu analysieren, möchte aber behaupten, daß eine Analyse analog zur folgenden der Entwertung der rechten Wahrnehmung in Deutschland und des rechten Wollens in Frankreich prinzipiell möglich sein sollte, wenngleich womöglich durch mancherlei Umstände verkompliziert.

Und den Verlust der Wahrheit möchte ich hier als
  • Dringlichkeits- und Schönheitsverlust durch Entrückung, fehlende Wahrnehmung,
  • Bedeutungs- und Machtverlust durch Entfremdung, fehlendes Wollen und
  • Sinn- und Wesentlichkeitsverlust durch den Traum, fehlendes Tun
zusammenfassen.

Indem wir diese beiden Dreifaltigkeiten gefaßt haben, können und müssen wir sie auch alsbald frei auf einander beziehen, um einen Überblick über die vorliegende Entwertung zu gewinnen.

Konkret möchte ich dies wie gesagt nur für Deutschland und Frankreich tun, aber zuvor möchte ich noch eine weitere Dreifaltigkeit zur Messung des Wertes angeben:
  • Anteilnahme (Geistesleben) ist der geistliche Gewinn (nach der Sorge),
  • Ansehen ist der Geltungsgewinn (nach der Achtung),
  • Wohlstand ist der fleischliche Gewinn (nach der Lust).
Deutschland. Ich habe mir einmal wieder Bernhard Riemann vor Augen geführt, und bin zu dem Schluß gekommen, daß er in der Gewißheit gelebt hat, daß seine mathematischen Untersuchungen nützlich waren. Er hat nicht gesondert auf die Anteilnahme geachtet, welche sich in seinem eigenen Geist entfaltet hat, noch welche er durch sein Wirken in anderen Geistern stiften würde, aber es wird ihm schon bewußt gewesen sein, daß seine Zivilisation heilige Bücher der logischen Einsicht begleiteten, welchen er neue Kapitel hinzufügte.

Mit anderen Worten wirkte Riemann in einem Rahmen, in welchem Nützlichkeit geistlichen Gewinn abwarf, und zwar ohne daß dieser gesondert hätte angestrebt werden müssen.

Dies ist heute anders. Nützlichkeit setzt nur allzu oft Verzicht auf eigene Anteilnahme und die Stiftung von Anteilnahme voraus. Es fällt schwer, heute nützlich und anteilnahmsvoll zu sein, und statt dessen stehen wir vor der häßlichen Wahl
  • lieber nützlich als anteilnahmsvoll oder
  • lieber anteilnahmsvoll als nützlich
sein zu wollen, wobei ich mich offensichtlich für letzteres entschieden habe.

Wie steht es also um die rechte Wahrnehmung?

Die Dringlichkeit nehmen wir wie gesagt aufgrund unserer Entrückung, unseres Verharrens in allgemeinen Nützlichkeitserwägungen, nicht wahr. Bedeutung und Sinn nehmen wir aber wahr. Und während unsere Hilfsbereitschaft keinen geistlichen Gewinn abwirft, so doch fleischlichen, und vielleicht auch Geltungsgewinn, wenngleich von schwächerer Art, da im Dienst keines Ideals stehend.

Entscheidend ist aber, daß wir das Heilige also durch den an unser Herz gewachsenen Zugang zu ihm verfehlen, und daß wir erst wieder geistlich nützlich sein werden, wenn wir anderen als den heutigen Zielen dienen.

Frankreich. Am deutlichsten wird Frankreichs moderne Verfehlung der Vorbildlichkeit, des rechten Wollens in Orléans. Die dortige Architektur hat es fühlbar nicht ganz in unsere Wirklichkeit geschafft und erhebt sich halb im Traum aus der Erde.

Wiederum ist zu fragen, ob die Dringlichkeit gewollt wird, die Bedeutung und der Sinn. Sicher weiß ich nur, daß der Sinn in Orléans ganz offensichtlich nicht gewollt wurde, denn sinnlosere Bauten gibt es nirgends, aber die Bedeutung dafür um so mehr. Was die Dringlichkeit angeht, so fällt die Bewertung schwerer, denn in die Welt hinausgeschrien wird sie nicht.

Ich meine Frankreich aber gut genug zu kennen, um zu wissen, daß die Dringlichkeit den Franzosen sehr wohl am Herzen liegt, nur daß sie dieselbe eben durch stille Gesten ausdrücken.

Und auch Frankreich verfehlt heute somit die Heiligkeit, nur durch Traum und Unwirklichkeit, daß alles Geste und Selbstbehauptung ist, aber nicht Teil der geschichtlichen Entwicklung: geistlichen Gewinn gibt es wohl, auch fleischlichen, aber der Geltungsgewinn ist dadurch coupiert, daß die Wesentlichkeit fehlt.

Auf irgendeine Weise wird sich die Rückkehr zum Heiligen in beiden Ländern vollziehen müssen. Nur darauf bauen, daß das Elend die Schleier der Verfehlung heben wird, will ich nicht. Aber diese Ausführungen zeigen, wie schwer es ist, die Sache aus der Perspektive desjenigen zu betrachten, welchem etwas fehlt, und das ist die maßgebliche Perspektive für jeden autonomen kulturellen Wandel.

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