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25. Juli 2019

Historische und ahistorische Mythen

Ein Mythos ist eine von Typen getragene Erzählung, welche Haltungen verkörpern, welche von jenen, welche den Mythos in sich aufnehmen, verinnerlicht werden.

Der Zweck des Mythos besteht dabei in der Vorbereitung auf Zumutungen.

Ein historischer Mythos ist ein auf das Wesentliche beschränkter Bericht über die Überwindung einer Schwierigkeit, hier in Norddeutschland vornehmlich mit Deichbrüchen zusammenhängend.

Die Zumutung ist dabei eine natürliche, eine von den Schwierigkeiten, vor welche einen das Leben hier auf Erden stellt.

Ein ahistorischer Mythos ist eine von Archetypen getragene Erzählung, welche Haltungen verkörpern, welche die Art und Weise vorschreiben, in welcher gesellschaftliche, oder kulturelle, Zumutungen zu überwinden sind. Ahistorische Mythen sind ethnogenetisch, oder kulturbildend (oder jeweils synonymkennzeichnend).

Es gibt drei Arten von ahistorischen Mythen, mit welchen ich mich bisher befaßt habe.
  1. Christliche Identität durch Marienbilder:
    • deutsch: züchtig,
    • französisch: folgsam,
    • englisch: anständig,
    so daß die Deutschen fleißig wären (nicht faul), die Franzosen zuhörten (nicht mit sich selbst beschäftigt) und die Engländer nicht vergäßen, was dem jeweiligen Stand ansteht (nicht frech).
  2. Heldentum als Leitbild der modernen Arbeitswelt:
    • unverzagt (bei der Arbeitssuche),
    • unabhängig und,
    • offen (neuen Kollegen gegenüber),
    wie Siegfried in Wagners Ring des Nibelungen.
  3. Gemeinschaftsstiftende Erzählungen zur Begründung des gesellschaftlichen Einvernehmens.
Allen ahistorischen Mythen gemein ist die relative Einfachheit ihrer Archetypen, denn schließlich sind diese allgemeinverbindlich, also die Voraussetzung für die Teilnahme an der fraglichen Kultur.

Menschen in jüngeren Jahren erwarten, ahistorische Mythen zu hören, um auf diese Weise in die Gesellschaft hineinzuwachsen. Aber die Lösungsansätze ahistorischer Mythen sind sehr begrenzt, können sie doch nur allgemeine Umgangsregeln festlegen, und diese helfen bei der Lösung historischer Probleme kaum weiter.*

Das Neue Testament ist hingegen kein ahistorischer Mythos, sondern ein historischer, wofür der beste Beweis ist, sich vorzustellen, wie eine Gesellschaft aussähe, für welche Jesus Christus den allgemeinverbindlichen Archetypus abgäbe, um die sie ausmachenden Zumutungen zu ertragen. Dies wäre eine Gesellschaft, in welcher die Menschen von allen Seiten ungerechtfertigten Anschuldigungen ausgesetzt wären, gegen welche vorzugehen sie kein Mittel hätten, so daß sie einzig ihre Seele retten könnten und auf eine bessere Zukunft hoffen.

So eine Gesellschaft hat es nie gegeben und wird es auch nie geben. Offensichtlich ist Jesus Christus vielmehr ein Vorbild für Menschen, welche ihr Gewissen in große Bedrängnis führt. Dieses verkannt zu haben dürfte Friedrich Wilhelm Nietzsches fundamentaler Denkfehler gewesen sein.

Und wenn ich sage, daß heute Prahlad Jani, Wim Hof and William Trubridge (oder auch Tom Sietas) Vorbilder sind, so meine ich auch das historisch, also daß sie Vorbilder im Glauben sind, und nur jenen, welchen die Bedeutung des Glaubens aufgegangen ist, was nur in Folge natürlicher Zumutungen geschehen sollte und nicht in Folge kulturbegründender, hieße dies doch, daß die Kultur so entworfen ist, daß man sich in ihr gezwungen sähe zu beten, womit wir wieder in der Nähe des bereits zuvor verworfenen Szenarios wären.

* Tolkien's The Lord of the Rings läßt sich zwar als Anleitung in so einer Lage lesen, geht aber über Ein jeder muß vor seiner eigenen Tür kehren. nicht hinaus.

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