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27. April 2020

Aneignung und Weiterführung

Bisweilen trägt es sich zu, daß einer auf eine Weise verfaßten Gesellschaft eine auf eine andere verfaßte sozusagen in die Hände fällt.

Die Verfassungen mögen dabei als analytisch, synthetisch und ontisch unterschieden sein. Dann finden folgende Formen der Aneignung statt:
  • die analytisch verfaßte bemächtigt sich der geeigneten Bildung,
  • die synthetisch verfaßte spannt verwertbare Organisationen ein und
  • die ontisch verfaßte nutzt gewährungsförderliche Kultur aus.
Dasselbe findet auch beim Übergang eines Zeitalters zum nächsten statt, doch findet dort noch etwas anderes neben der Aneignung des Erworbenen statt, nämlich die Fortführung des Ererbten. Doch bevor wir dazu kommen, möchte ich einige historische Beispiele der Aneignung betrachten.

Ich bin durch Platons Freiheitsbegriff auf dieses Thema gestoßen:
Frei ist, wer sein Leben so einrichtet, wie es ihm gedeihlich ist.
Dieser harmlos scheinende Satz hat das Korollar, daß der Freie ein todesverachtender Krieger sein muß, da nur er der Freiheit den ihr angemessenen Vorzug gibt. Alle anderen enden als Sklaven. Der Weg aus diesem Dilemma besteht selbstverständlich darin, freundlicherweise auch anderen ihr Leben so einzurichten, daß es ihnen gedeihlich ist, aber in diese Richtung habe ich den Gedanken nicht verfolgt, sondern vielmehr im Hinblick auf vergleichbare Gemeinschaften, welche ebenso wie die griechischen Städte durch die Mobilisierung ihrer sich Hervortuenden um ihre Existenz kämpften, und welche Dynamik es wohl sei, welche solche Gemeinschaften formen würde.

Ist es gewissermaßen hier in Deutschland im Mittelalter nicht ganz ähnlich gewesen als Städte unabhängig wurden und die Spießbürger sie verteidigten? Und ganz allgemein gesprochen, wenn ein Ganzes in seine Teile zerfällt, werden nicht die sich Hervortuenden der einzelnen Teile sich ihrer bemächtigen wie auch bei den Schweizern, als sie die Chance dazu erhielten?

Das ist nun aber nicht der Prozeß, welcher in Griechenland angenommen wird. Dort sei ein fremdes Volk eingefallen und habe auf Tafelfelsen Städte gebaut. Nun, es spielt keine Rolle. In beiden Fällen waren Menschen von andern zu bestimmten gebildet worden, und eine analytisch verfaßte Gruppe hat sich ihrer bemächtigt, womit nicht gesagt ist, daß sie versklavt wurden, nur daß sie als so Gebildete der Organisation der analytisch verfaßten Gruppe eingegliedert wurden.

Für die Ausnutzung durch ontisch verfaßte Gruppen kann ich nur triviale Beispiele angeben, für interessante ist zu wenig über das Zeitalter der Wunder bekannt, doch für die Einspannung durch synthetisch verfaßte gibt es interessante historische Beispiele, nämlich die Einspannung von volkstypischen Organisationen im Dienst der katholischen Kirche, sowohl militärischer, als auch ökonomischer Art, das heißt militärischer bei den Heiden und ökonomischer bei den Juden. Mit etwas bösem Willen mag man das auch noch um kriminelle Organisationen bei den Sizilianern erweitern.

Damit wäre also zur Aneignung das Nötige gesagt. Kommen wir also zur Weiterführung. Analyse endet in Organisation, Synthese in Kultur und Sein in Bildung, und dahin gelangen sie durch Haltung, Verständnis oder Stellung (objektiven Glauben), siehe Orientierungen als Formen des Bedenkens. Da es sich so verhält, kann es nicht ausbleiben, daß sich Orientierungen hinsichtlich der Form, in welche sie münden, hervortun, und
  • die vorzügliche Haltung hinsichtlich der Organisation ist die vertrauenswerte,
  • das vorzügliche Verständnis hinsichtlich der Kultur ist das lebensverstehende und
  • die vorzügliche Stellung hinsichtlich der Bildung ist die tugendhafte.
Wann die Orientierung also derart reif wurde, legt sie den Grundstein für eine andere Verfassung, und so führt
  • die synthetische Verfassung das ererbte Vertrauen weiter,
  • die ontische den ererbten Begriff des Lebens und
  • die analytische die ererbte Tugend.
Das habe ich alles natürlich schon zuvor beschrieben, doch auch den kleinsten Erkenntnisgewinn gilt es für das Zeitalter der Wunder festzuhalten, da so wenig über es bekannt ist, und der besteht hier darin, daß es sich homomorph ergibt, daß wir, wie Parmenides schreibt, tatsächlich darum die Welt zu ergründen suchen, um, nachdem wir unsere körperlichen Abhängigkeiten und Möglichkeiten studiert haben, zu unserem Geist zurückzukommen, indem uns das körperlich Unbekannte weder zu locken, noch zu beunruhigen vermag, kurzum nicht abzulenken. Ist unser Geist darüber zur Ruhe gekommen, können wir uns an unserem Sein orientieren. Und wir wissen dann auch, was wir den Andern schulden, und werden keine Begeisterung über die Vernunft stellen und das Ganze des Lebens nicht vergessen.

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