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23. April 2020

Das Prinzip Hoffnung in der dritten Phase des Glaubenszykels

Ich bin kein Schachspieler, doch wer auch nur die Regeln kennt, wird anhand der folgenden beiden Stellungen sagen können, welche Seite die Partie gewinnen wird.



Etwas ähnliches sehen wir zur Zeit. Die drei Phasen des Glaubenszykels bestehen erklärtermaßen darin, daß der Reihe nach die Dogmen, die gesellschaftlichen Regeln und die Verdienste bestimmt werden, wobei das in den vorigen Phasen Festgelegte den folgenden als Grundlage dient.

Was ich bisher nicht betrachtet habe, aber, wie ich jetzt merke, durchaus eine Betrachtung verdient, ist, was sich mit zunehmender Bebauung der Grundlage ändert, nämlich die Ungewißheit, ob das Gebaute noch im Einklang mit der Grundlage steht.

Im Falle der zweiten Phase des Glaubenszykels habe ich dieses Phänomen bereits inhaltlich getroffen, als ich bemerkte, daß die katholische Kirche die französische Revolution anstieß, weil sie vor der effektiveren Administrationsweise Englands nach dem dortigen Bürgerkrieg kapitulierte, mit anderen Worten also die zweifelhafte Dogmentreue der säkularen Gesellschaft auf gut Glück in Kauf nahm.

Aber im Falle der dritten Phase der Glaubenszykels bleibt hierzu noch einiges zu sagen.

Es nicht ganz klar, ob die wirtschaftlichen Strukturen, welche uns in den letzten 200 Jahren erwachsen sind, den gesellschaftlichen Regeln, welche wir alle als selbstverständlich betrachten, dienen oder ob sie nicht etwa zu ganz anderen Regeln hintreiben.

Und da es nicht ganz klar ist, bedarf es eines gewissen Vertrauens, um sich guter Hoffnung auf die bestehenden Verhältnisse einzulassen. Ich denke, der Begriff Traumtrichter drückt in vorbildlicher Klarheit das aus, worum es hier geht: die Träume der Menschen dem System einzugliedern.

Der Traumtrichter also weitet sich während der dritten Phase des Glaubenszykels, und muß sich weiten, damit sich die bestehende Bebauung weiterentwickeln kann, aber natürlich ist der Traumtrichter nichts anderes als die Gutgläubigkeit der Bürger und somit eine Ressource außerhalb der direkten Kontrolle des Systems.

Freilich, je weiter der Traumtrichter wird, desto öfter werden Menschen verleitet und geraten auf Abwege, auf welchen sie schließlich zu Zynikern werden, welche sich nicht mehr um ihren Glauben kümmern, weil sie ihn verloren haben, doch was sollten wir von komplexer werdenden wirtschaftlichen Beziehungen auch anderes erwarten?

Jetzt jedenfalls ist es dahin gekommen, daß die Verteidiger des Systems sich einen taktischen Vorteil davon versprechen, die als Grundlage dienenden gesellschaftlichen Regeln verstärkt ins Bewußtsein zu bringen, weil sie sich den Angriffen ihrer Kontrahenten als auch deren, nunmehr geheiligte, Verteidiger dadurch entziehen können, ebenso wie Kieseritzky seinen Springer und seine Dame oben um den Preis der Entwicklungsangepaßtheit rettete, denn es nicht möglich, die gesellschaftlichen Regeln verstärkt ins Bewußtsein zu bringen, ohne den Traumtrichter zu verengen.

Die Coronakrise hat die Natur des Konflikts verändert, indem sie ihn von der Ebene verhärteter Interessen hin zur Ebene der Rechtfertigbarkeit gezogen hat, auch wenn das bisher die wenigsten erkennen: statt zu zerschellen, wird Vieles im Sand verlaufen, und der Keim zur Besinnung ist gepflanzt.

Freilich, es ist keine vollständige Ersetzung der Lage, gewisse Zentren müssen geschleift werden, doch durchaus eine festhaltenswerte Änderung.

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