Bereitschaftsbeitrag

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2. Januar 2021

Ordenscharakter moderner Gesellschaften und Ordensschismen

Weit davon entfernt, Orden darzustellen, bemühen moderne Gesellschaften doch die Vorstellung, daß ihre Einrichtungen und Gewaltakte gerecht seien, indem sie auf Prinzipien beruhen, welche von den Gesellschaftsmitgliedern als gerecht angesehen werden.

Interessanterweise geht diese Vorstellung schon seit langem mit einer ihr entgegengesetzten (relativ) friedlich einher, nämlich daß moderne Gesellschaften Systeme ökonomischer und ökologischer Ausbeutung seien. Gestehe ich einer Gesellschaft Gerechtigkeit zu, so ist Überzeugung das Mittel der politischen Auseinandersetzung, tue ich es nicht, so ist es Druckausübung. Und so kommt es, daß wir in modernen Gesellschaften beides vorfinden; Druckausübung insbesondere durch Streik und Sabotage sogenannter Umweltsünder.

Damit stellt sich aber die Frage, welche Art der Druckausübung in Orden angewendet werden kann, ohne daß es zum Schisma kommt. Und diese Frage können wir ganz allgemein und von Gesellschaften losgelöst beantworten. Der Schlüssel dazu liegt in der Unterteilung von Unternehmungen in Vertretungen, Abenteuer und Zusammenarbeit. Vertreten werden Prinzipien, die Abenteuer beruhen auf eingeschlagenen Wegen. Druck auf Prinzipien auszuüben ist in Orden fast nie zulässig, das heißt nur dann, wenn es sich erstens um ein Prinzip handelt, welches nicht konstitutiv für den Orden ist und zweitens als moralische Perversion angesehen werden kann. Druck auf eingeschlagene Wege auszuüben mag zum gerechtfertigten Schisma führen oder auch nicht. Die Ordensmitglieder, welche den Druck erfahren, werden Gott um Rat in dieser Frage bitten müssen. Und Druck auf Mitarbeiter auszuüben ist in Orden fast immer zulässig, das heißt nur dann nicht, wenn unvermittelbare Hinderungsgründe vorliegen.

Ein Streik dürfte nur in den wenigsten Fällen Druck auf den vom Arbeitgeber eingeschlagenen Weg darstellen, denn das hieße den Ast absägen, auf welchem die Arbeitnehmer sitzen, in erster Linie ist der Arbeitgeber Mitarbeiter. Sabotage von sogenannten Umweltsündern hingegen ist Druck auf den eingeschlagenen Weg. Druck auf Prinzipien, aber, ist beides nicht, und so erklärt sich der bisherige (relative) politische Friede in modernen Gesellschaften.

Es spielt übrigens keine große Rolle, ob der Druck von Bürgern oder der Regierung in einer umstrittenen Frage ausgeübt wird, die Gefahr für ein Schisma der an die Gerechtigkeit der Gesellschaft Glaubenden ist die selbe. Die Einführung der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht für Arbeitgeber, etwa, stellt eine Druckausübung auf den eingeschlagenen Weg der Volkswirtschaft dar, deren Gerechtigkeit sehr von den Umständen abhängt.

Doch kommen wir zu den gegenwärtigen Entwicklungen. Zunehmend wird Druck darauf ausgeübt, daß Andere ihre Prinzipien aufgeben. Nicht zuvörderst in der eigenen Gesellschaft, sondern Andere in anderen Gesellschaften. Freilich gibt es auch hierfür historische Beispiele. Die Sachsen, etwa, wurden mit dem Schwert missioniert. Aber damals spielten selbstverständlich auch sicherheitspolitische Aspekte eine Rolle, und eine Gesellschaft, welche sich wie die Franken damals sagen kann, daß sie sich vor Überfällen und ähnlichem Ungemach schützt, wird sich intern nicht über ihre Prinzipien in die Haare kriegen.

Wenn der außenpolitische Druck hingegen keinen solchen Zweck hat, und die Prinzipien der druckausübenden Gesellschaft hochstehende sind, werden sich etliche von den Handlungen ihrer Regierung falsch repräsentiert sehen. Wird dann von seiten der Regierung Druck auf sie ausgeübt, so ist dies ein Druck auf die Prinzipien der Gesellschaft selbst, welcher wenigstens zum Schisma zwischen Bürgern und Regierung führt. Findet die Regierung dann aber hinreichende Unterstützung in der Bürgerschaft bei dieser Art der Druckausübung, so kommt es zum gesamtgesellschaftlichen Schisma.

An dieser Stelle stehen die Vereinigten Staaten nach Bush, Obama und Trump: Bush begann mit dem ungerechtfertigten Krieg und verschaffte Obama damit die Gelegenheit, ihn in anderer Form auszuweiten, und Trump hat nun knapp die Hälfte der amerikanischen Bürger dazu gebracht, ihn nachträglich als Vorrecht der Mächtigen im Staate zu legitimieren. Das Schisma ist unausweichlich, aber praktisch gesehen gibt es noch eine Wahl zu treffen, nämlich ob der Anspruch auf eine gerechte Gesellschaftsordnung aufrecht erhalten wird oder nicht, also ob versucht wird, die Gesellschaft in Gerechtigkeit neu zu gründen oder in einer ungerechten Gesellschaft die eigenen Interessen am effektivsten zu verfolgen.

Ich denke, Christen können als solche, welche sie nun einmal sind, nur den ersteren Weg gehen. Und auf diesem ist der größte Halt, daß der Feind die Schöpfung, und insbesondere den Menschen, verkennt und sich mit jedem Tag mehr bloßstellt und sein Lager ein Sammelbecken widersprüchlicher Vermessenheit ist. Die Zeit bringt die verbindende und bestätigende Klarheit.

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