Bereitschaftsbeitrag

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21. Februar 2023

Tabu und Zuständigkeit

Über gewisse Dinge können wir nicht erschöpfend reden, über andere könnten wir's schon, wenn's uns nicht durch ein Tabu verboten wäre.

Unter einer Zuständigkeit verstehen wir eine exklusiv ausgefüllte Rolle (auch exklusiv übernommene Funktion). Und wie in jeder Rolle schätzen wir auch in einer exklusiven, wie wert uns ihre Ausfüllung ist. Ich sprach davon im Falle unserer Zuständigkeit für ein gehießenes Leben und auch davon, daß ihre Wertschätzung vom durch Sticheleien geschürten Stolz (im weiteren Sinne) übertönt werden könne, aber das ist allgemein so: Stets vermag das Gerede anderer unseren Stolz derart zu reizen, daß die Wertschützung unserer Zuständigkeit darunter zurücktritt, und je erschöpfender es ist, desto mehr.

Anders ausgedrückt können allgemein verstandene Rollen schwerlich anders ausgefüllt werden, als es das Geschwätz der Allgemeinheit fordert, selbst wenn die Ausfüllung der fraglichen Rolle einem dadurch widerwärtig wird.

Zum Beispiel in der Politik. Eine Weise, sich davor zu schützen, besteht darin, Elemente in seiner Rolle hinzuzuziehen, welche die Allgemeinheit eben nicht versteht, wovon ich in meiner Rolle als Seinsbeobachter reichlich Gebrauch mache. Eine andere ist das Tabu: Wenn die Allgemeinheit nicht mehr den Mund aufmachen darf, kann sie einem auch nicht mehr in die eigene Zuständigkeit hineinreden.

Ich habe mich nämlich gefragt, aus welchem Grunde stets über Sex geredet werden solle. Dazu heißt es in 1. Mose ja, daß es zu Knechtschaft führe: Ham trompetet die Blöße seines Vaters heraus und wird dafür samt seinen Nachkommen zur Knechtschaft verdammt. Nun, Knechtschaft ist es wohl, wenn man sich vor anderen diesbezüglich rechtfertigen muß, und da was damit zusammenhängt gut verstanden ist, kann nur das Tabu die eigene Zuständigkeit für das private Leben schützen.

Darüberhinaus verliert ein Mensch seine Würde, wenn ihm die Allgemeinheit in alles hineinredet, da es in dem Falle auf seine Meinung in nichts mehr ankommt.

Umgekehrt ist die Unersättlichkeit weit verbreitet, in allen Dingen Gehör zu suchen, also allumfassende Zuständigkeit zu beanspruchen, doch so kommt es eben, daß, wo jeder für alles, niemand für irgendetwas zuständig ist.

Post Scriptum vom folgenden Morgen. Ein sichtbares Anzeichen der Aufgabe der Zuständigkeit für das Wohl des eigenen Körpers in unserer Kultur sind Tattoos und Piercings.

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