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18. Januar 2025

Erwartung als Beharren auf der Angemessenheit des Erlebens

Die Wurzel unseres (subjektiven) Glaubens und unserer Erwartung ist die Überzeugung, daß unser Erleben der Welt angemessen ist.

Genauer gesagt stützen sie sich auf die folgenden drei Axiome, deren erste beiden eine lange Geschichte in der Physik haben und deren letztes eine eben so lange in der Religion hat:
  • Was in der punktförmigen Zeit erscheint, strebt von einem Zeitpunkt zum andern, das heißt, es erhält sich in irgendeiner Form, hinterläßt Spuren, vergleiche etwa die Energie- und Informationserhaltungssätze der Physik, denn andernfalls wäre ihm der Begriff der Abhängigkeit unangemessen.
  • Was in der punktförmigen Zeit strebt, entspricht sich in dem Zusammenkommen seines Strebens, gleiche Ausgangsstreben streben zu gleichen Strebensausgängen, vergleiche etwa das von Platon hinsichtlich der Kugelform der Erde angeführte Symmetrieprinzip in der Physik, denn andernfalls wäre ihm der Begriff der Begleiterscheinung unangemessen.
  • Was in der punktförmigen Zeit strebt, ergänzt sich, denn andernfalls wäre ihm der Begriff der Verantwortlichkeit unangemessen.
Da nicht jeder Physik studiert hat, ich selber saß zufällig im Hörsaal als es drankam, möchte ich hier das Noether-Theorem erwähnen, welches Erhaltungssätze, etwa den Impulserhaltungssatz, durch Variationsrechnung (Variation des Weges eines Wegintegrals) aus Symmetrien der Lagrange-Funktion herleitet, auch wenn dies lediglich von mathematischem und nicht ontologischem Interesse ist.

Kommen wir also zum dritten Axiom. Wir empfinden unsere Gehießenheit als Pflicht, nicht als Vergnügen, als etwas, das wir tun müssen, im Falle
  • der Vorliebe der Umsetzbarkeit (Gelegenheit) zuliebe,
  • des (subjektiven) Glaubens der Begegenbarkeit (Wahrheit) zuliebe und
  • des Gewissens der Ermessung (Erfüllung) zuliebe,
und sind ihr also ihre Erfüllung schuldig, was sich etwa in der Vorstellung des Jüngsten Gerichts ausdrückt, aber eine solche Schuldigkeit kann nur bestehen, wenn das Gehießene erfüllbar ist, was es nicht wäre, wenn sich in ihm lediglich ein partieller und nicht der Wille des Ganzen ausdrückte, doch wenn wir einen ganzheitlichen Willen annehmen, den Willen Gottes, welchen wir als uns heißend wahrnehmen, so können wir seine Erfüllung tatsächlich schuldig sein, nämlich dem zu entsprechen, was er für uns vorgesehen hat, wissend, daß sich die einzelnen Streben in jedem Falle zu seinem Ganzen ergänzen, auch wenn jene, welche keine Pflicht Gott gegenüber kennen, meinen, sie könnten jene, welche es tun, durch materielle Mittel kontrollieren. Die Kirche selbst hat sie eingesetzt, um den Einfluß ihresgleicher auf die Geschichte zu minimieren, aber sie sind ihr entwachsen und halten sich nun an ihre eigenen Regeln. Mich schmerzt das alles, aber meinen Glauben an das göttliche Ganze erschüttert es nicht: Es ist auch nicht abzusehen, daß ihm von irgendwoher Gefahr droht, führt doch jede Abweichung von ihm auf Sicht in den Abgrund.

Post Scriptum vom 20.1.2025. Wenn es einem nicht gerade um vollständige Allgemeinheit geht, kann man das Noether-Theorem wie folgt formulieren:
Wenn eine Lagrange-Funktion nur von der (zeitlichen) Änderung einer Größe abhängt und nicht von ihr selbst, ist die Ableitung der Lagrange-Funktion nach der (zeitlichen) Änderung dieser Größe eine Funktion, deren Funktionswerte über alle Objekte des Systems summiert konstant bleiben.

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