Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

24. März 2011

Einige, wohl notwendige, Klarstellungen zum gestrigen Beitrag

Die Wesensgleichheit zwischen Handlungen und Vertrauen sollte nicht dahin gehend verstanden werden, daß es sich um Äußerungen desselben Organs handelt. Gemeint ist lediglich eine Gleichheit des Auftretens in unserem Bewußtsein. Also, was ich vom Vertrauen schrieb, daß es eine Antwort auf unser Leiden an unserer Wahrnehmung ist, das gilt so auch von den Handlungen. Beides sind Sprünge aus der Not.

Wir können uns darauf bescheiden, sinnlich zu sein, die Reflexionen des Lichts auf der Wasseroberfläche spielen zu sehen, eine Weile, bis die Lichtlachen, welche wir anfangs auffaßten, vorübergezogen sind oder sich rekombiniert haben. Unser Bewußtsein macht dann keinen Gebrauch von unserem Verstand und keine Handlung findet statt, denn die Handlung ist eine Verstandesäußerung. (Freilich arbeitet der Verstand auch dann autonom weiter vor sich hin, in sofern er die Auffassung der einzelnen Lichtlachen aktualisiert.)

Selbst in diesem Zustand können wir indes vertrauen, allerdings nicht auf eine Weise, welche auf den Verstand bezug nimmt. Und um das hier ganz klar zu sagen, ohne Verstand gibt es kein Bewußtsein eines Sprunges, keine Grenze zwischen den Wahrnehmungen, vielmehr wächst eine Wahrnehmung, bis sich schließlich doch wieder der Verstand einschaltet oder sie beginnt, sich örtlich zu verlieren.

Es kann aber Willen, also Leiden, und anknüpfendes Vertrauen in diesem Zustand geben. Leiden ist sehr melodramatisch gesagt, zumeist kann man's nicht wirklich so nennen, aber es verdeutlicht den Zusammenhang zum Vertrauen halt sehr schön. Wobei der explizit natürlich durch Ohnmacht gegeben ist. Und da stellt sich die Frage, ob es neben der Handlung, welche ja des Verstandes bedarf, noch eine andere Form der Macht gibt. Oder ist alles Organische, Sinnliche stets auf Vertrauen angewiesen? Die Frage wird leichter zu beantworten, wenn man sich besäuft, denn in dem sich dann vollziehenden organischen Versagen wird es klarer erkennbar. (Ich habe gerade ein Déjà vu, das zweite heute..., wahrscheinlich habe ich mich schonmal hierzu geäußert, schlimm wäre das natürlich nicht.) Nun, die Antwort muß notwendig unbefriedigend bleiben, es gibt dort erkennbare Anstrengungen, bestimmte Formen zu bilden, doch stecken wir in diesen Anstrengungen nunmal nicht drin, wie es bei den Äußerungen unseres Verstandes der Fall ist, es bleibt also Spekulation, ob dabei stets Vertrauen eine Rolle spielt oder nicht. Allerdings, wenn etwas autonom in unserem Bewußtsein abläuft, dann müssen wir, um es gut einzubinden, auf höherer Ebene darauf vertrauen. Das gilt insbesondere für unsere Vorstellung und damit für unsere malerische Begabung, nun, bezogen auf Stimmungen gilt es natürlich ebenso für unsere kompositorische Begabung. Aber, interessanterweise, werden Dinge, die zuvor autonom abliefen, wenn man betrunken ist, abhängig von bewußter Konzentration auf sie. (Die Gedankenführung hier sieht wahrscheinlich besoffener aus, als sie es ist. Nichts für ungut, an dieser Stelle ist eben Schluß, bewußte Konzentration ist ja nicht das eigentlich Interessante, sondern lediglich der letzte Schritt davor.)

Im Sinnlichen bleiben wir also am besten undifferenziert. Es kommt zu Anstrengungen. Manchmal sind diese transzendent, das läßt sich durch Experimente erschließen. Wie es um sie gewöhnlich bestellt ist, dafür fehlt uns schlicht der Begriff.

Lassen wir aber das Sinnliche hinter uns und ziehen unseren Verstand hinzu, dann sind wir uns des zwischenzeitlichen Abgrunds nur zu bewußt, welcher vor unseren Handlungen klafft.

Es sind dies die Angst und das Nichts, von denen Heidegger spricht. Die Angst entspringt dabei daraus, in diesem Bewußtsein keinen Anhaltspunkt für die nächste Handlung zu haben, denn so ist es, wenn wir uns auf unser Sein in der Zeit als Ganzes konzentrieren, unser Wesen wird von unserer Phantasie vor uns ausgebreitet, aber alles bleibt zu dunkel, als daß es uns anleiten könnte. Natürlich besteht der nächste Schritt dann immer darin, sich auf einen Teil dieses Ganzen zu konzentrieren, und sobald das geschieht, gibt es wieder Anleitung genug. Diese Teile sind aber Vertrauen, Verstand, Gemüt und Sinnlichkeit, wobei letztere normalerweise nicht ohne Verstand wahrgenommen wird, sondern nur, wenn man explizit das Bewußtsein der Innerzeitlichkeit unterdrückt. Bei den anderen Teilen geht dieses nicht, denn sie sind, in dieser Form (das betrifft das Vertrauen, welches ansonsten ohne Bewußtsein seiner stattfindet), allesamt Verstandesäußerungen, wobei allerdings beim Gemüt nicht recht von Innerzeitlichkeit die Rede sein kann, da bleibt man beim Leiden an einem bestimmten Eindruck stehen, wenn man nicht gerade der Phantasie folgt, und beim Vertrauen vielleicht auch eher von Überzeitlichkeit die Rede sein sollte, denn der Sprung geht ja quer zur Zeit.

Der tiefere Grund für den vorigen Umstand ist natürlich, daß unser Wille in diesen Teilen steckt.

Die vorige Erklärung ist im Hinblick auf das Gemüt verwirrend. Wir erfassen unsere Willensäußerungen in unserem Gemüt, es sei denn, sie wären rein sinnlich, also Anstrengungen. Da es aber so viele Erfahrungen und Ideen gibt, auf welche unser Wille reagiert, wenn man sie ihm zuführt, macht es eben Sinn, sich auf sein Gemüt zu konzentrieren, in welchem alle Anhaltspunkte von Interesse von der Phantasie aufbereitet werden. Dies funktioniert natürlich nur deshalb, weil unsere Phantasie unseren Willen kennt.

Im sinnlichen Bereich ergibt der letzte Gedanke überhaupt keinen Sinn, da die Sinnlichkeit selber das Produkt der Anstrengungen ist, und allenfalls gefragt werden könnte, welchen Bereichen der eigenen Sinnlichkeit der eigene Wille wohl gerne zum Bewußtsein verhülfe, was aber für die eigentliche Sinnlichkeit deswegen nie gefragt wird, weil der Wille, sofern er rein sinnlich ist, gerne die gesamte Sinnlichkeit zum Bewußtsein brächte.

Der Unterschied zwischen der Besinnung auf das Gemüt und der Besinnung auf die Sinnlichkeit besteht darin, daß in letzterer der Wille nicht reflektiert wird, sondern direkt auf ihrer Grundlage wirkt. Man könnte auch sagen, daß im Gemüt alle unaufgelösten Emotionen gespeichert werden.

Post scriptum vom 25.3.1011. Natürlich handelt es sich bei der Besinnung auf das Vertrauen auch um eine Besinnung auf etwas, das sonst schlicht nebenher läuft. Ich denke, ich habe mit dem Vorigen Sinn und Zweck der Besinnung auf das Gemüt gut getroffen, also Fehler des ersten Durchgangs auszubügeln, doch das Vertrauen verhält sich nicht analog dazu. Und wo ich gerade dabei bin, die Besinnung auf den Verstand erlaubt natürlich den systematischen Ausbau von Begriffen, nicht daß ich morgen noch ein Post Scriptum anfüge. Beim Vertrauen allerdings geht es um etwas ganz anderes, nämlich um die Begrenzung, also Überwindung, diesseitiger Ambitionen. Es erlaubt eine objektive Sicht auf die Existenz als Ganzes, befreit von den Ängsten des zwingenden Geistes, also eine objektive Wahl zwischen Haß und Liebe.

Labels: , ,