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22. März 2011

Parsifal

Es gibt schon beachtliche Konvergenzen im Denken Kants, Schopenhauers, Dostojewskis, Wagners, Tolstois und Tarkowskis. Ich denke, es ist sinnvoll, dies als eine wesentliche neuzeitliche Geistesströmung zu bezeichnen. Als Name böte sich Bewußtseinsrestauratismus an.

Übrigens, durchaus interessant, da ich nicht wußte, ob es Restaurismus oder Restauratismus heißen muß, habe ich beide Begriffe gegoogelt und dabei diesen SPIEGEL-Artikel gefunden. Paßt sehr schön zu geistigen Strömungen, und deutlicher hätte der SPIEGEL auch nicht sagen können, daß er marxistisch ist. Mich irritierte dbzgl. lange Zeit seine unterschwellig psychologische Unterstützung nationalsozialistischer Sichtweisen, doch erklärt sich dies wohl aus der Notwendigkeit, im Leser einen (gelenkten) Prozeß innerer Auseinandersetzung im Gang zu halten.

Ich denke freilich nicht, daß diese Strömung bisher auch nur in der Theorie einen ausreichenden Entwicklungsstand erreicht hat, bemühe mich indessen natürlich genau hier Abhilfe zu verschaffen, muß aber andererseits einräumen, daß sie bereits überragende Kunstwerke hervorgebracht hat, die größten wahrscheinlich Parsifal von Wagner und Stalker von Tarkowski.

Stalker verdeutlicht das Wesen der Transzendenz als Vertrauen und unterstreicht zugleich die Bedeutung persönlicher Reife. Dies ist absolut zutreffend dargestellt, in dem Punkt gibt es auch theoretisch nichts zu kritisieren, doch ist das eben nur eine punktuelle Betrachtung.

Parsifal andererseits ist eine interessante Weiterentwicklung der Gedanken, welche Wagner in Erkenne dich selbst (die Schrift steht auf dem Index, entsprechend hier die englische Übersetzung) geäußert hat. An der Rolle der Juden als ewige Versucher hat Wagner freilich nichts geändert, auch nicht an der Notwendigkeit, ihnen zu widerstehen, noch an der sich daraus ergebenden Folge, daß sie dann schließlich ihr Judentum aufgeben werden (Kundrys Taufe), aber es ist doch bemerkenswert, daß Kundry in Parsifal nur auf Geheiß eines Eunuchen tätig wird. Bisher habe ich Klingsor allerdings noch nicht mit Bischofsstab in der Hand gesehen. Das wäre allerdings eine schöne Inszenierung, Bindung durch Sündhaftigkeit.

Es ist dies eine tiefe Einsicht Wagners, zu der ich ja vor kurzem unabhängig von ihm, Hitlers geschichtliche Bedeutung bedenkend, auch gekommen bin. Daß Hitler sich bei der Zerstörung Wagners Kernanliegen auf dessen Spuren wähnte, ist natürlich wieder einmal eine böse geschichtliche Ironie, dieses Mal indes nicht Folge eines Versagens des Wagnerschen Erklärungsansatzes der Realität, sondern Folge einer mangelnden Bereitschaft, sich auf ihn einzulassen, welche sich auch schon zu Wagners Lebzeiten zeigte, als man ihm vorwarf, die Uraufführung von Parsifal von Hermann Levi dirigieren zu lassen.

Parsifal gibt also ein sehr klares Bild von der geschichtlichen Situation, in welcher sich der Bewußtseinsrestauratismus vollziehen muß, und den konkreten Herausforderungen, welchen er gegenüber steht. Darüberhinaus ist in der Figur des Narren die Grundhaltung vorgezeichnet, mit welcher sich dieses nur bewerkstelligen läßt.

Dieses sind sehr wertvolle Betrachtungen, welche freilich nicht sagen, worin Bewußtseinsrestauration eigentlich besteht. Natürlich, eingedenk Wagners Hintergrund, ist es klar, daß sie für Wagner selbst im Werk Schopenhauers bestand.

Man sollte sich, denke ich, nicht von den unerfreulichen Wendungen auf dem bisherigen Weg entmutigen lassen. Letztlich kann man für die eigene Ohnmacht und den damit einhergehenden Mißbrauch durch Mächtige nichts. Es bedarf eines Bewußtseins für die Länge des Weges, für die gegenwärtige Situation und auch einer gewissen Flexibilität, um sich nicht an unnützer Stelle zu verschleißen.

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