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18. Mai 2011

Ein Lob der Langsamkeit

Immer wieder einmal passiert es, daß man beim arglosen durchstöbern deutscher Zeitungen auf Artikel stößt, welche regelrecht böse sind. Bisher war mir das bei der Süddeutschen noch nicht passiert, heute aber war es soweit: Jeder vierte Student gleich welchen Geschlechts liebäugelt damit, sein Studium durch Prostitution zu finanzieren.

Ja, warum eigentlich nicht?, möchte man da natürlich sofort fragen. Und wenn einem das zu langweilig wird und sich der eigene Geschmack wandelt, wendet man sich eben einer ernsthaften Beziehung zu und lebt Familienwerte.

Nun, vielleicht klappt das ja sogar. Ich müßte mich selbst prostituiert haben und dann an einer ernsthaften Beziehung gescheitert sein, um es besser zu wissen.

Indes, wenn man das alles so bedenkt, ist nicht das Lesen deutscher Zeitungen genau dasselbe wie Prostitution?

Ich meine damit aber folgendes. Übermäßiges Kopulieren ist immer eine Flucht, also sind Menschen, welche Sex kaufen, für gewöhnlich solche, welche mehr als andere fliehen wollen, also sind sie meistens solche, welche sich selbst als gescheitert betrachten, ohne zu resignieren, mit anderen Worten also, um es auf den Punkt zu bringen, Schmutz.

Nun, darin liegt, denke ich, die größte Gefahr sich zu prostituieren, daß man kübelweise mit Schmutz übergossen wird und es nicht schafft, die in ihm vielleicht enthaltenen Nährstoffe zu verdauen, sondern stattdessen an einer bakteriellen Infektion stirbt, um im Bild zu bleiben.

Merke: Den Menschen keine Zeit zu geben, um für sich eine Lösung zwischen ihrem Idealbild und der Wirklichkeit zu finden, ist eine Strategie des Bösen, und zwar des absolut Bösen, nicht irgendeines kulturell definierten Bösen, sondern ein Angriff auf den Lebenssinn der Menschen selbst.

Man kann sich nicht jedesmal, wenn man mit Schmutz übergossen wird, mit diesem Schmutz auseinandersetzen, in diesem Fall der Suggestion, Prostitution sei normal und nicht zu fürchten, aber man kann seinen Medienkonsum drosseln.

Man kann sich die Zeit nehmen, welche man braucht, um über derartige Manöver wieder zu lachen, weil man zuvor genug eigene Gedanken entwickeln konnte, um schlagfertig auf sie zu antworten.

Ein Idealbild zu haben, ist der wertvollste Besitz und es mit der Wirklichkeit abzustimmen, die größte Leistung.

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