Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

4. Mai 2011

Losgelöste Helden

Im Gegensatz zu Sinnlichkeits- und Vernunftsmenschen ist das soziale Leben von Gemütsmenschen hochgradig flexibel. Das heißt nicht, daß es nicht auch strengen Regeln unterworfen wäre, sondern, daß diese Regeln in ganz verschiedenen Systemen resultieren können.

Ein Gemütsmensch sucht zunächst eine Gruppe, welche bereit ist ihn aufzunehmen, wobei er versucht eine möglichst mächtige und also in der Regel eine möglichst große Gruppe zu finden.

Anschließend versucht er seine Rolle in dieser Gruppe zu finden und einzunehmen, also ihr in von ihr bestimmter Weise zu Diensten zu sein.

Karriere bedeutet für einen Gemütsmenschen langsamer Aufstieg in der Gruppenhierarchie, wobei es natürlich Untergruppen geben kann, welche der Hierarchie einer Obergruppe unterstellt sind. Indes braucht der Gemütsmensch jedenfalls eine Einstiegsgruppe irgendeiner Art, um überhaupt motiviert zu sein.

Kapitalismus ist eine auf Sinnlichkeitsmenschen zugeschnittene Organisationsform und erzeugt deswegen Raum für Gemütsmenscheneinbettungsangebote, welche unter den Begriff Managementdienste gebracht werden können, wobei letzterer Begriff allerdings weiter ist.

Aufgrund der Tendenz eine möglichst große Gruppe zu suchen, landen viele Gemütsmenschen heute in Positionen von derart großen Organisationen, daß sie keinerlei Begriff vom Gesamterfolg der Gruppe haben, für welche sie arbeiten.

Die Folge davon ist unbedingte Loyalität der Gruppe gegenüber, da ein eventuelles Scheitern der Gruppe in ihren Zielen nicht wahrgenommen wird, welches andernfalls dazu führen würde, die eigene Mitgliedschaft zu überdenken, denn der Gemütsmensch tritt nicht irgendeiner Gruppe bei, sondern nur einer, deren Ziele ihn ansprechen.

Der letzte Punkt ändert aber nichts daran, daß Gemütsmenschen immer mächtigere Gruppen weniger mächtigeren Gruppen vorziehen werden, so lange ihre Ziele vergleichbar sind, und natürlich gibt es überhaupt nur eine handvoll verschiedener Grundausrichtungen solcher Gruppen.

Die Größe der Gruppe macht den Gemütsmenschen also blind ihrem Wirken gegenüber.

An dieser Stelle sollte man vielleicht fragen, ab wann das wohl beginnt. Ich schlage einmal 100 000 vor.

Aber es gibt mittlerweile noch eine andere Form der Blindheit, nämlich Blindheit den Zielen selbst gegenüber.

Wie ich schon sagte, erlaubt der Kapitalismus ein Gemütsmenscheneinbettungsangebot, welches dazu geführt hat, daß sich Gemütsmenschenvermittler etabliert und organisiert haben, selbstverständlich wieder als eine Gruppe, deren Ziel einzig darin besteht, Gemütsmenschen bei ihrer Lebensbewältigung zu helfen, was aber ja nichts anderes heißt, als ihnen eine passende Gruppenmitgliedschaft anzubieten, und es ist in Anbetracht dieser Zustände kein Wunder, daß das beliebteste Angebot gerade in der Mitgliedschaft dieser Gruppe selbst besteht, deren Ziel indes seine Zielhaftigkeit lediglich von den Zielen aller anderen Gruppen geborgt hat.

Der Name dieser Erscheinung ist Sozialismus. Und irgendwo ist er ja auch sehr treffend, suggeriert er doch soziale Beziehungen sozialer Beziehungen wegen.

Ich wage zu behaupten, daß diese doppelte Erblindung weder gut für die Gemütsmenschen selber noch für die Menschheit als Ganzes ist. Aber in ein paar Sätzen wird man das wohl im Detail nicht begründen können.

Es stellt sich sodann die Frage, was wohl gegen diese Tendenz zur doppelten Erblindung getan werden könnte.

Nun, wie ich bereits sagte, ist der Sozialismus eine Folgeerscheinung des Kapitalismus'. Da könnte man ansetzen, wenngleich die Frage bleibt, wie das zu bewerkstelligen ist. Aber die andere Tendenz, jene zur ersten Blindheit, ist unbedingt, die wird man nie loswerden, so daß man sie also stets im Zaum halten müssen wird. Der einzige Weg, dies zu erreichen, besteht darin, Gruppen, wo es nur geht, zu spezialisieren und wo es nicht geht, die Zugehörigkeit zu ihnen so unansprechend wie nötig zu gestalten. Gruppen sind dabei aber nur dann Gruppen, wenn sie eigenständig sind. Uneigenständige Gruppen sind nur Teilgruppen größerer Gruppen. (Dies steht nicht im Gegensatz zur obigen Bemerkung Ober- und Untergruppen betreffend, die Obergruppe bleibt in der hiesigen Betrachtung problematisch.)

Eine Weltordnung, welche dies leistet, ist vorstellbar, ein mehr oder weniger glatter Übergang zu ihr übersteigt hingegen mein augenblickliches Vorstellungsvermögen, denn damit ein Übergang glatt sein kann, muß ab einem bestimmten Punkt das Gros der Leute in einem Schwung die Seiten wechseln, was aufgrund der diametral entgegengesetzten Natur der entstehenden Ordnungen nicht gerade leicht erscheint.

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