Bereitschaftsbeitrag

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25. Februar 2013

Verführung durch die eigenen Werke

Es gibt sicherlich viele Transitionen von einem Herrschaftsideal zu einem anderen, ich möchte an dieser Stelle derer zwei besprechen, welche mir für die europäische Geschichte von Bedeutung zu sein scheinen.

Es ist nur natürlich, daß man in seinen Werken Erfüllung findet, wenn sie der Ausdruck des eigenen inneren Strebens sind. Dieser Augenblick gelösten Zurücklehnens kann einen indes zu etwas verführen, was vielleicht auch seinen Platz in der natürlichen Ordnung der Dinge hat, aber schwerlich für sich genommen als gut bezeichnet werden kann, nämlich der Versuchung nachzugeben, seinem Werk die eigene Verantwortung zu übertragen, vorausgesetzt, es handelt sich bei dem Werk um eine verfaßte Gesellschaft, aber wir reden hier ja vom Wechsel von Herrschaftsidealen.

Nehmen wir zunächst den Glauben, er zielt auf die Ermöglichung eines glücklichen Verhältnisses, und dazu beginnt er dann auch, eine Gesellschaft zu regeln, und wenn ihm das gut gelungen ist, kommt sie zu Wohlstand, und der Wohlstand ist der Verführer des Glaubens, denn in ihm sieht er den Beweis der eigenen Heiligkeit, und er wird versucht, sein Werk als abgeschlossen zu betrachten und der geregelten Gesellschaft ihre Geschicke zu überlassen.

Luther hat gegen diesen Vorgang protestiert, ihn aber nicht außer Kraft gesetzt.

Die geregelte Gesellschaft nun, befreit von Glaubensfragen, besteht in Ehrfurcht vor den Regelungen, welche ihren Wohlstand begründen, in etwa so, wie es Botho Strauss eingangs in seinem Anschwellenden Bocksgesang geschildert hat. Aber auch sie wird wiederum von ihrem Werk verführt, nämlich der Macht ihrer Abteilungen, welche in ihr langsam die Ansicht aufkommen lassen, alles zu können und entsprechend gar nicht auf bestimmte Regelungen Rücksicht nehmen zu müssen, so daß die Ehrfurcht schleichend der Beliebigkeit weicht. Indem das Zusammenspiel indes immer leichtfertiger in neue Formen überführt wird, verliert es bald seine Bedeutung und wird durch den Machtkampf der Abteilungen ersetzt, so daß schließlich die Dominanz zum Herrschaftsideal wird.

Wohlstand verführt den Glauben, Macht die Ehrfurcht, und beides gehört zur jüngeren Geschichte Europas. Wir befinden uns auf einem Pfad der Abgabe unserer Verantwortung an unsere Schüler, verzückt von ihrer Vorbildlichkeit, ohne zu bedenken, daß wir sie nur für niedere Aufgaben ausgebildet haben.

Es ist doch ein seltsam Ding. Und was kann es anderes heißen, als daß wir uns selbst über sind? Seit 500 Jahren reichen wir das Leben nach unten weiter. Unsere Herrschaft war vollkommen, geben wir also unseren möglichen Nachfolgern keine Chance sich zu blamieren, indem wir unsere Ämter auflösen. Seltsam! Woher kommt das bloß? Ich weiß es nicht.

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