Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

3. März 2013

Krisenlösung oder Revolution?

Wenn man die Geschichte der letzten 500 Jahre betrachtet, erscheint es plausibel, daß wir zur Zeit keineswegs in einer Krise stecken, sondern vor der Auflösung der unsere Gesellschaft verfassenden Strukturen stehen. Aber ich möchte an dieser Stelle nicht aus der Vergangenheit heraus argumentieren, sondern aus der Gegenwart.

Die Gegenwart ist geprägt durch ein Patt zwischen allgemeinen Interessen und speziellen, welches sich daraus ergibt, daß die Vertreter der Allgemeinheit ihrer Verantwortung nicht nachkommen und auch gar nicht nachkommen wollen und die so behinderte Allgemeinheit mit ansehen muß, wie ihr von speziellen Interessen das Messer an die Gurgel gehalten wird.

Der Grund für das Verhalten der Vertreter der Allgemeinheit liegt in einem autoaggressiven Glauben, welcher unter den so genannten intellektuellen Eliten Europas grassiert. Ich nannte ihn zuvor Trotzkismus, und ich glaube, daß Trotzki ihn in der Tat am eindeutigsten verkörpert hat.

Es gibt in diesem Patt also drei Parteien, und ob es zur Krisenlösung oder zur Revolution kommt, entscheided sich daran, unter welchem Gesichtspunkt der heutige Gegensatz gesehen wird. Wenn er unter dem Gesichtspunkt des Abfalls vom Glauben gesehen wird, also als kulturelles Problem, welches die Vertreter der Allgemeinheit betrifft, und zwar sowohl von der Allgemeinheit als auch von den speziellen Interessengruppen so gesehen wird - was indes voraussetzt, daß beide ein vitaler Glaube verbindet -, so kommt es zur Krisenlösung, wenn er allerdings unter dem Gesichtspunkt des materiellen Gegensatzes zwischen allgemeinen und speziellen Interessen gesehen wird, so kommt es zur Revolution, also zur Neufassung des Glaubens, auf daß er eines schönen Tages wieder stark genug ist, Einheit zu stiften.

Stünde Europa alleine da, so wäre ich zuversichtlich, daß es zur Krisenlösung käme denn die europäischen Spezialinteressen haben sich in weiten Teilen nicht weit von der Allgemeinheit entfernt, soweit es ihren Glauben betrifft. Doch das sieht in den Vereinigten Staaten anders aus, und ihr Einfluß wirkt sich auch auf das europäische Schicksal aus.

Praktisch gesehen bedeutet Revolution Lähmung und Krisenlösung Beschleunigung. Je stärker also der amerikanische Einfluß ist, desto stärker auch die Lähmung, was selbstverständlich zu Machtverschiebungen führen wird. Ich kann allerdings noch nicht absehen, wie das alles zusammenspielen wird, zu viele Variablen, zu wenig Einsicht in die entscheidenden Prozesse. Ich glaube aber, daß es zu Umständen kommen wird, welche das Wachstum eines erneuerten Glaubens ermöglichen werden, wo auch immer, und wie auch immer es sich vollziehen wird, nun, diesbezüglich habe ich so meine Ahnungen, aber geklärt hat sich das noch nicht.

Was die Vereinigten Staaten selbst betrifft, so ist die grundlegende Situation dort eine andere, weil es dort überhaupt keine unabhängigen Vertreter der Allgemeinheit gibt, so daß sich der Trotzkismus dort - außerhalb des Bildungswesens - nicht frei entfalten kann, sondern nur in dem Maße, als er speziellen Interessen dient. Mit anderen Worten lösen sich in den Vereinigten Staaten die verfassenden Strukturen nicht auf, sondern werden verschoben, Evolution statt Revolution.

So viel läßt sich also schon sagen, die Vereinigten Staaten ändern ihren Charakter, ihre nähere Einflußsphäre wird gelähmt und die ihnen ferner stehende Sphäre wird beschleunigt, beziehungsweise bleibt unbeeinflußt. Letzten Endes mag das alles nichts weiter sein als der Effekt, welchen es auf einen Abschreiber hat, wenn sich der Schüler, von welchem er abschreibt, umsetzt, denn Trotzkismus gedeiht natürlicherweise unter Abschreibern, ist stets der Begleiter der Hegemonie. (Trotzkis eigene Situation ist freilich komplizierter gewesen, vielleicht der Hannibals vergleichbar.)

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