Bereitschaftsbeitrag

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2. März 2013

Sie und Du

Wo ich gestern gerade von der Kompetenz, die richtige Ansprache zu wählen, geschrieben haben, bleiben wir doch noch etwas beim Thema und beschäftigen uns mit dem Klassiker, wann es Sie und wann es Du heißen sollte.

Das Problem bei der Verwendung dieser Formen besteht darin, daß ihnen nicht ein Maßstab, sondern zwei Maßstäbe zu Grunde liegen, nämlich einmal Vertrautheit und zum anderen Standesbewußtsein.

Hingegen gibt es Fälle, welche eindeutig sind. Zum Beispiel müssen sich Repräsentanten unter einander mit Sie ansprechen, um nicht den Eindruck zu erwecken, daß sie ein verschworener korrupter Haufen wären, welcher sich einen feuchten Kehricht um jene schert, welche er vertritt. Man könnte sogar sagen, daß sich die Ansprache hier auch nicht an den anderen Repräsentanten, sondern an die Vertretenen, welche sie verfolgen, richtet, wobei dann wieder das im vorigen Beitrag gesagte gilt: weder ein Volk noch Aktionäre, welche mitansehen, wie sich ihre Vertreter mit anderen Vertretern duzen, verteidigen ihre Interessen.

Umgekehrt ist es selbstverständlich, daß sich die Mitglieder eines Trupps duzen, um dadurch ihre Bereitschaft zu signalisieren, Hand in Hand zusammenzuarbeiten.

In den verbleibenden Fällen ist es so, daß ab einem gewissen Grad der Vertrautheit das Du fällig wird, aber nicht ausschließlich erst dann.

Nehmen wir zum Beispiel: Du da!

Wann darf man das sagen?

Nun, man kann es natürlich auf die Umstände schieben, einen Dieb wird man so ansprechen dürfen, auch jemanden, welcher sich unwissentlich in Gefahr begibt, obwohl es in dem Fall lediglich mit Sicherheit zu entschuldigen wäre und nicht unbedingt angemessen.

Nein, abgesehen von Dieben und Vandalen gilt diese Ansprache für gewöhnlich Kindern (was natürlich ersteres nicht unbedingt ausschließt) und einfach gestrickten Menschen.

Überhaupt wird man einfach gestrickte Menschen stets mit Du ansprechen wollen, ich meine, ganz einfach gestrickte. Darin liegt natürlich ein gewisses Gefahrenpotential. Für gewöhnlich sind ganz einfach gestrickte Menschen allerdings nicht sauer, wenn man sie so anspricht. Ich denke, dieses ganz einfach gestrickt entspricht bei mir dem sinnlichen geistigen Horizont.

Gut, aber es gibt auch Fälle, in welchen man eine Person nur mit: Sie da! anbrüllen wollte, im persönlichen Gespräch hingegen sofort Du verwendete, dann aber als Ehrentitel, als Zeichen speziellen Zutrauens, etwa wenn man auf einer Versammlung an den einzigen Menschen gerät, welchen man nicht für einen Idioten hält. Auch das kann natürlich ins Auge gehen, insbesondere wenn der so Angesprochene einen selbst für einen Idioten hält.

Und das bringt mich zu der Ansicht, daß es mir eigentlich nur gefällt, Menschen vom zweiten geistigen Horizont, dem der Haltung, zu siezen. Ab dem dritten geistigen Horizont, dem der Begriffe, zöge ich das Du vor, wenn nicht mangelnde Sympathie es ausschlösse. Natürlich ist das Sie in seiner Gestanztheit auch gerade jenen Menschen gemäß, deren Reflexion auf die eigene Haltung fokussiert ist, es ist eine Einladung zu einem Tanz, welcher ihnen gefällt.

Nun, was doch für mögliche Beleidigungen, Peinlichkeiten und Keilereien aus einer im Grunde genommen überflüssigen Wahl der Ansprache entstehen können - jedenfalls ein schlagender Beleg für die These von der Kompetenz der Wahl der richtigen.

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