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13. März 2013

Voraussetzungen des dialektischen Prozesses

Dialektischer Prozeß hier im Sinne Hegels und Marx'.

Damit sich die Entwicklung einer Gesellschaft nach den Regeln des dialektischen Prozesses vollziehen kann, sind offensichtlich folgende Voraussetzungen von ihr zu erfüllen.
  1. Die Gesellschaft muß in einem Idealvorstellungen stiftenden Glauben verbunden sein.
  2. Dieser Glaube muß hinreichend vage sein, um aufgrund neuerlicher Erfahrungen stets reformuliert zu werden.
  3. Der Gesellschaft darf es nicht an Mitgliedern mangeln, welche zu dieser Reformulierung fähig sind.
  4. Der Gesellschaft darf es nicht an Mitgliedern mangeln, welche die jeweiligen Idealvorstellungen als politisch verbindlich betrachten und sich entsprechend zu ihren Vorstreitern machen.
  5. Der gesellschaftliche Informationsfluß muß die Informiertheit der Gesellschaft über ihren tatsächlichen, repräsentativen Zustand gewährleisten.
  6. Der gesellschaftliche Informationsfluß muß die freie Propagierung von Idealvorstellungen beinhalten.
Diese Voraussetzungen werden von der parlamentarischen Demokratie modernen Zuschnitts selbst bestenfalls nur partiell geschaffen. Idealerweise verpflichtet sie sich zu 5. und 6. und wird dieser Verpflichtung auch gerecht, aber an 1. - 4. hat sie nicht den geringsten Anteil. 1. und 2. wird einer dritten Partei überlassen, welche in die Fußtapfen der Kirche tritt, wobei es allerdings fraglich ist, ob sie diese Voraussetzungen auch mit derselben Verläßlichkeit wie einst die Kirche schafft, und 3. und 4. laufen darauf hinaus, daß es in einer Gesellschaft genügend viele Suchende und Leistende gibt.

Meiner Ansicht nach ist heute 1. in Europa nicht mehr erfüllt, so daß man nach den weiteren Punkten gar nicht erst weiter zu fragen braucht. Und wo 1. heute auf der Welt erfüllt ist, da mangelt es entweder an 2., 3. oder 4. Es ist also mit anderen Worten müßig, sich über die Mißstände bei 5. und 6. aufzuregen.

Der dialektische Prozeß ist ein Phänomen des ausgehenden Christentums in Europa. 1. und 2. bescherte die Kirche, 3. und 4. die Prähistorie und 5. und 6. der technische Entwicklungsstand, und nicht ohne Verblüffung muß ich festhalten, daß sämtliche dieser drei Bereiche angegriffen werden: der Glaube schon alleine dadurch, daß er als Glaube in Vergessenheit gerät, die Zusammensetzung der europäischen Gesellschaften durch Einwanderung und die Informiertheit durch den Wegfall des überschaubar Repräsentativen.

Die Romantik ist bei Schullehrern recht weit verbreitet, ich glaube nicht, daß die heranwachsende Generation einen auch nur halbwegs zutreffenden Begriff von ihrer politischen Zukunft hat. Die Weichen sind auf die Zurückdrängung des Volkes aus der Politik gestellt, was in der Folge, aufgrund des Fehlens anderer Strukturen (aristokratischer oder so genannter bürgerlicher, beispielsweise), in Faschismus münden muß: die Partei als Vertreter des kleinen Mannes vor den großen Konzernen.

Jedenfalls in Deutschland, in anderen Ländern Europas mögen die bürgerlichen Strukturen stärker sein, eine Änderung der politischen Verhältnisse zum Schlechteren wird aber auch dort nicht zu vermeiden sein, sofern die oben beschriebenen Angriffe dort stattfinden.

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