Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

16. März 2013

Zeit zur Lebensreform

Ich habe zeitlebens unter dem Problem gelitten, nicht zu wissen, wo ich mich guter Hoffnung anschließen könnte.

Das fing mit der Familie an, setzte sich über die dörfliche Gemeinschaft fort, wurde duch die Bundeswehr um ein kurioses Kapitel erweitert, und wenngleich ich den universitären Betrieb auch nicht aus den gleichen Gründen wie die vorigen Milieus abgestoßen habe, jenen war die Übernahme gemeinsamer Verantwortung fremd, diesem Selbstbestimmung, so bin ich doch auch dort nicht fündig geworden.

Aber was suche ich überhaupt?

Am nächsten kommt dem wohl der Weg der Silents zu Digital Illusions, und vielleicht wäre mir das auch genug, wenn ich homosexuell wäre: Da stimmt wenigstens der eigene Weg, auch wenn man am Ende nichts Bleibendes außer den eigenen Erfahrungen vorzuweisen hat.

Und das hätte man nicht, das Spiel bliebe das gleiche, ja, jene, welche meinen, daß Vererben eine Sünde sei, meinen wohl auch gar, daß das Spiel immer das gleiche bleiben sollte, aber so gut gefällt mir das Spiel nicht, daß ich mir das wünschte.

Sicher, spielen wir einmal kurz den Advocatus Diaboli:Du bist doch nur zu zögerlich, hat dir denn in deiner Jugend nicht auch etwas gefallen? Und hättest du es nicht ergreifen können anstatt dich zu entschließen, ein verdrießlicher Querkopf zu sein? So war es immer, und so wird es immer bleiben. Du hast dich selbst verurteilt.

Nun, tut mir Leid, Diabolo, aber auch wenn es dir nicht gefällt, so kann mein Herz doch nicht anders, als absolute Maßstäbe an die Welt anzulegen. Daß es auch in einem relativen Vorteil Glück zu finden gibt, kann die Verantwortung gegenüber der natürlichen Rolle des Menschen als einzig vernunftbegabtem Tier nicht aufheben.

Ja, du hast ein vernünftiges Tiergehege geschaffen, aber keines für vernünftige Tiere.

Aber genau so sieht es aus. Genau in dieser Welt leben wir. Und wenn man sich dieser unangenehmen Tatsache stellt, wird man frei, sich über das einem verbleibende Kapital zu freuen: Den eigenen Intellekt, den eigenen Schönheitssinn und den eigenen Körper.

Das ist das Kapital, welches der Lebensreform zur Verfügung steht, sowohl um es selbst zu mehren als auch um aus ihm das eigene Leben zu bestreiten.

Dazu gehört auch, daß man das eigene Lebensumfeld, und insbesondere das eigene Klima, zu genießen lernt. Dafür gibt es im Deutschen den schrecklichen Ausdruck Abhärtung. Wenn man die Sache schon so ansehen muß, wäre Betäubung zutreffender - oder Einbildung. Ich spreche freilich lieber von materieller Transzendenz (transzendente Akte in der materiellen Ebene), oder, um nicht mit solch schrecklichen Wörtern um mich zu werfen, von der Beherrschung des eigenen körperlichen Wohlergehens.

Herausforderungen gibt es überall, Möglichkeiten seinen Körper zu entwickeln auch. Man muß nur dahin kommen, sie freudig anzunehmen. Es ist März, die Sonne scheint, blau glitzert die vereiste Schneedecke über den Feldern. Es muß nicht wärmer sein, wenn nach einer halben Stunde die rechte Hand etwas taub wird, legt sich halt die linke für ein paar Sekunden über sie. Der Gegensatz zwischen Winterzauberland und frühlingseinleitender Aggression entzückt mich jedes Jahr auf's Neue.

Und auch Ecken, an welchen wir unser Lebensumfeld verschönern können, gibt es überall, ebenso wie praktische Aufgaben, an welchen unser Intellekt und unser Körper Früchte tragen können. Ob die gleich reichen, um von ihnen zu leben, ist eine andere Frage, welche man indes für's Erste vernachlässigen kann, wenn man Rücklagen hat.

Wer sich allgemeingültiger beschäftigen möchte, dem stehen immerhin noch Dichtung, Komposition, die anderen Künste, Mathematik und Philosophie offen. Und wen es dazu drängt, der kann sich auch zu Hause praktisch mit Chemie und Elektrizität befassen und womöglich nützliche Verfahren oder Geräte entwickeln.

Was uns hindert, das ist einmal die Erwartung, woanders womöglich mehr Glück zu finden, und zum anderen die Furcht, daß es womöglich nötig ist, an anderer Stelle Verantwortung zu tragen.

Ich denke aber, daß man, wenn man sich unsere heutige Lage nur genügend verdeutlicht, erkennt, daß man sich den Winden überlassen muß, daß es keine materiellen Garantien mehr gibt, keine staatlichen Einrichtungen, welchen wir zu unserem eigenen Heil zu Dienst verpflichtet wären.

Ich hoffe, daß wir uns einst wieder Einrichtungen zur Beförderung unseres Gemeinwohls schenken werden, zur Zeit haben wir indes nichts, was wir zu diesem Zweck hergeben könnten: Die Eier, welche wir legen, sind für den Betrieb der Hühnerfarm verplant und jene, bei welchen sie schließlich landen, werden ihre Hühnerfarm kaum aus eigenem Antrieb aufgeben, denn wenn sie auch nichts Echtes besitzen, so können sie sich doch alles Echte nachbauen lassen.

Das heißt nicht, daß wir den Überresten staatlicher Strukturen nicht gegebenenfalls zur Verfügung stehen sollten, um sich aus dem wachsenden Chaos ergebenden Gefahren entgegenzutreten, aber das hat Zeit, bis es soweit ist.

Labels: , , , , , ,