Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

22. März 2013

Zur philosophischen Methode

Mag sein, daß ich diesen Abschnitt, wie ich es auch schon vor nicht allzu langer Zeit angekündigt hatte, nun tatsächlich beenden werde und mich konkreten Lehrfragen zuwende, etwa zur Erschließung der geistigen Horizonte, denn Philosophie bedeutet nicht nur die Suche nach einer Beschreibung der Dinge, welche einen interessieren, sondern ist untrennbar mit dem Willen verbunden, sich selbst auf den so aufgedeckten Weg zu begeben und die Welt aus der gewonnenen Begrifflichkeit heraus zu betrachten, und diesbezüglich muß ich einen zunehmenden Unwillen konstatieren, mich noch weiter in das Dunkel, welches sich hinter den noch ausstehenden Erfassungen verbirgt, zu begeben.

Mir steht der Sinn nun mehr danach, die Entfaltung der Welt zu beobachten und das eine oder andere praktisch auszuarbeiten, aber wer weiß, vielleicht ist es auch nur eine Phase.

Jedenfalls sollte ich im eigenen Interesse darauf hinweisen, wie ich zu meinen Beiträgen stehe. Allen meinen Beiträgen liegen Beobachtungen zu Grunde, welche ich zu ordnen suchte. Die Ordnung einer Beobachtung ist auf vielfältige Weisen möglich, und es bedarf daher Kriterien, welche sie rechtfertigen.

Es gibt natürlich Fälle, in welchen die Ordnung einen unmittelbaren Zweck verfolgt, nämlich der Klärung der Alternativen in einer bestimmten Situation. In diesen Fällen wird man schlicht fertig. Man klärt die Alternativen, und das war's. In anderen Fällen aber ist die Ordnung Teil des oben beschriebenen philosophischen Prozesses, man weiß noch nicht, wozu man sie verwenden möchte, man ahnt nur, daß die Klärung eines Sachverhaltes einem später behilflich sein könnte, und dabei kommt es des öfteren vor, daß man bemerkt, daß einem eine bestimmte vorgenommene Ordnung so wohl nicht nützen wird, und man vielmehr die brauchbaren Elemente in ihr neu anordnen muß, und dergleichen ist mir auch in einigen Beiträgen widerfahren.

Damit wären bereits drei Arten von Beiträgen unterschieden, die Auftragsarbeiten, die glücklichen Schritte auf dem Weg ins Ungewisse und die weniger glücklichen. Letztere mögen indes durchaus auch von weiterem Interesse sein, wenn einem denn die Richtung, in welche sie weisen, begründeterweise vielversprechend scheint, was aber von der eigenen Erfahrung abhängt. Wann immer ich sah, daß mich ein Ansatz in eine Richtung führen würde, in welcher meine eigenen Erfahrungen sich als unzureichend erweisen würden, habe ich ihn reformuliert.

Und viertens gibt es noch eine weitere Art von Beiträgen, nämlich die monumentalen, meine Kräfte übersteigenden, in welchen ich einer Ordnung nicht vollständig Herr wurde, und welche ich in der Folge dann immer wieder mal in Angriff genommen habe, bis ich schließlich mit dem Ergebnis zu Frieden sein konnte.

Die letzten Fäden, welche nun vor mir liegen, Analyse der Zykel der unterschiedlichen Lüste und so weiter, gehen für meinen Geschmack zu sehr in die Breite, lohnenswert wäre allenfalls eine genauere Beschreibung der möglichen historischen Situationen nach dem Vorbild des I Chings, aber ehrlich gesagt interessiert mich die sich gerade entfaltende Phase mehr als ein detaillierter Überblick über alle Phasen, so daß ich wohl nicht die Muße zu dieser Betrachtung finden werde.

Diese Beschreibung des Philosophierens läßt sich auch ohne Änderungen auf die Mathematik anwenden, welche nicht nur aufgrund dieser prozeduralen Isomorphie eine Schule für ersteres ist, sondern auch aufgrund des in ihr enthaltenen Begriffsgebäudes, als welches eindeutig ist. Philosophie kann diese Eindeutigkeit schwerlich erreichen, aber wenigstens kann ein Philosoph sie sich selbst gegenüber fordern, wozu es nicht schaden kann, wenn er sie in der Mathematik bereits erfahren hat.

Die griechische Mathematik war zu einem großen Teil eine Mathematik der Methoden, wie sie wohl Lars Hörmander vorschwebte, aber darin liegt meines Erachtens kein folgenschwerer Unterschied zur axiomatischen Mathematik, so lange man sich bei ersterer nur die Mühe macht, die eigenen Ergebnisse etwas zu ordnen und sich bei letzterer darauf beschränkt, seine Augen auf anschauliche Probleme zu richten - nur, eindeutige Bedingungen sind das freilich nicht.

Nun, dieses ist beides geistvoll, geistlos ist die Algebra, nicht als Disziplin, ganz im Gegenteil, sondern als Methode: Geschicktes Formelzeichenjonglieren mag so manches mathematische Problem lösen, der Entwicklung des eigenen Denkens dient es nicht. Um aber bei der Algebra als Disziplin zu bleiben, das Genie eines Évariste Galois' bestand darin, die Bedingungen zu studieren, unter welchen die von Wurzeln der formalen Koeffizienten einer algebraischen Gleichung sukzessiv erzeugten Körper schließlich mit dem durch ihre formalen Lösungen erzeugten Körper übereinstimmen, und das ähnelt mehr einem von Sherlock Holmes' Fällen als dem Umstellen von Variablen, genaueres dazu im Beitrag Vom Lösen von Polynomen durch Wurzeln.

Schlußletztlich möchte ich diese etwas beschönigende Darstellung noch um eine Bemerkung zur Willkür ergänzen.

Selbstverständlich lassen sich die eigenen Erfahrungen leicht einmal in dieses und ein andermal in jenes Licht setzen, und darin liegt eine große Gefahr, schließlich bei beliebigen Ergebnissen zu enden. Es gibt indes deutliche Hinweise darauf, daß man es schließlich nicht getan hat, nämlich indem einem der Lauf der Welt und die Beschäftigung der Menschen mit ihr verständlicher wird. Man soll sich aber vor der Lüge fürchten, vernunftbegabt, wie wir nunmal sind, erwächst aus falschen Informationen und Urteilen schnell der Tod. Es ist darum schon fast unanständig, wenn wir andere mit Informationen und Urteilen überschütten und von ihnen erwarten, sie als wahr anzusehen.

Bei allem was wir tun, auch bei der Suche nach Verständnis, ist uns das heilige Streben der Sorge um unsere Verfassung, die höchste Form göttlicher Inspiration, die sicherste Anleitung, und ihr gehört unser Gehorsam, direkt und möglicherweise auch indirekt, wenn wir wissen, daß sie sich in einem anderen manifestiert, denn wir wissen es ja, und zwar durch unsere Achtung, welche, wenn sie uns solches sagt, die zweithöchste Form göttlicher Inspiration darstellt. Ich habe stets jene geachtet, welche es verdienten, um großes und um kleines, viele waren es dennoch nicht, zum Teil auch, weil ich stets mit anderem beschäftigt war, aber nicht nur deswegen. Die allermeisten Menschen widmen ihr Leben nichts Ernstem. Die allermeisten Menschen sind allenfalls zu bemitleiden.

Entzogenheit hat schon ihren Reiz. Segen auf allem Guten, Freude an allem Schönen, Verantwortung allein vor Gott.

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