Bereitschaftsbeitrag

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10. April 2014

Zur Bedürfniskultur

Bedürfnisse entstehen aus passiven Gefühlen, also aus Leid, Mahnungen und Regungen, näheres dazu im Beitrag Gefühle.

Allerdings, weil es in diesem Beitrag von gesonderter Bedeutung ist, muß ich an dieser Stelle noch ein paar zusätzliche Worte zu einer Abart von Interesse, Sehnsucht und Liebe verlieren, nämlich zu Fesselung, Sucht und Gier.

Diese entstehen, wenn dem Empfindenden das Bewußtsein seiner selbst beim Anblick des Geliebten abhanden kommt. Darin liegt eine Gefahr für die Edelen, aber um diese geht es mir hier nicht, sondern ausschließlich um die richtige Einordnung jener drei Gefühle, welche von grundlegender Bedeutung für das Gleichgewicht der Bedürfniskultur sind, dazu später mehr.

Eine Kultur liegt vor, wenn eine Gesellschaft für sich bestimmt, welche Leistungen in ihr zu Erfolg führen sollen, wobei diesem Sollen durch geeignete Verbindlichkeiten, um die entsprechenden Leistungen zu honorieren, Nachdruck verliehen wird.

Die Bedürfniskultur nun bestimmt, daß der Erfolg einer Person von dem Grad abhängen sollte, zu welchem sie die Bedürfnisse Anderer befriedigt.

Sie entstammt einer Sicht auf den Menschen, welchen ihn als bedürftiges Wesen sieht und in der Stillung seiner Bedürfnisse das gesellschaftlich Gute, welches zumindest ein Teilaspekt des realexistierenden Christentums ist, welcher durch die Reformation zum dominanten kulturellen Faktor der westlichen Gesellschaften wurde.

Ihre technische Umsetzung geschieht durch den freien Markt.

Ihr Problem liegt in der Sekundarität, mit welcher sie die aktiven Gefühle, Lust, Ahnung und Stimmung, straft, näheres dazu wieder im Beitrag Gefühle. Diese achtet sie nämlich nur zu dem Grad, zu welchem sie der Bedürfnisbefriedigung dienen.

Ersichtlicherweise dienen jene aber nur dann der Bedürfnisbefriedigung, wenn sich das in ihnen ausdrückende Prinzip, nämlich das Auffinden neuer Lebensmöglichkeiten, mit der Befriedigung bestehender Bedürfnisse deckt, und das tut es nur in einer expansiven Phase einer Kultur, in welcher das erschlossene Neue dem Alten zugeführt wird.

Die Bedürfniskultur ist also eine Expansionskultur, welche, sobald die Expansion ins Stocken gerät, aus dem Gleichgewicht gerät, und zwar wie folgt.

Jeder Mensch widmet sich seinen Bedürfnissen nur so viel wie nötig, um sich seinen aktiven Gefühlen so viel wie möglich widmen zu können. Führen letztere indes nicht zu einer Verbesserung der allgemeinen Bedürfnisbefriedigung, so werden Menschen umso weniger gesellschaftlich honoriert werden, je entschiedener sie ihren eigenen Weg verfolgen und die Gesellschaft schrumpft immer weiter auf einen lethargischen Kern zusammen, welcher selbstverständlich auch nur das Nötigste tut, um die allgemeinen Bedürfnisse zu befriedigen.

Das einzige Mittel, mit welchem die Gesellschaft diese Entwicklung aufhalten kann, ist die gezielte Förderung von Fesselung, Sucht und Gier, denn durch diese entstehen unter solchen Umständen einzig stabile Motive zur Verbesserung der allgemeinen Bedürfnisbefriedigung.

Daraus folgt aber auch:

Je langsamer eine Bedürfniskultur expandiert,
desto schneller pervertiert sie.

Das ist auch der Grund, warum ich glaube, daß dem Westen als nächstes das Gottkönigtum blüht. Es braucht schlicht einen Diktator, welcher moralisch auftritt, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen.

Freilich, es ist gänzlich unmöglich, daß er dabei wirklich moralisch ist, seine Aufgabe wird darin bestehen, den Laden am Laufen zu halten, was allerdings nicht ausschließt, daß es örtlich zu Extravaganzen kommen wird, eingedenk dessen, daß die Führungsschicht ausschließlich aus Zynikern bestünde, wenn es denn wirklich so käme.

Kurz gesagt, die Bedürfniskultur ist desaströs. Es geht nicht in erster Linie um den freien Markt, sondern um das Menschenbild des bedürftigen Menschen. Wir honrieren das Falsche, weil wir glauben, damit das Richtige zu tun.

Nun gut, für Reformen ist es zu spät, aber wenn der Spuk vorbei sein wird, wird es wichtig sein, den Menschen in seiner Ganzheit zu sehen und sich unbefangen zu fragen, was man für sich in der eigenen Gesellschaft honorieren möchte, in klarer Erkenntnis dessen, daß die Formung der eigenen Gesellschaft durch die gewählte Kultur der folgenreichste Aspekt der eigenen Gestaltungsfreiheit ist.

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