Bereitschaftsbeitrag

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18. Oktober 2016

Die Herrschaftsweisen der sofortigen und der aufgeschobenen Bewertung

Wir betrachten Prozesse, welche kontrolliert werden. Bei der Kontrolle eines Prozesses stellt sich die Frage, zu welchem Grad er vernünftigerweise antizipiert werden sollte, so daß es weder zu schwachsinnigen Untersuchungen von längst Bekanntem, noch zu engstirnigem Übergehen von bedeutsamen Entwicklungen kommt.

Ich kam auf dieses Thema, als ich die eher spartanische Einrichtung eines klingonischen Bird of Prey mit der der Enterprise verglich - ein Gegensatz, welchen man natürlich an tausend anderen Stellen genauso gut beobachten kann, etwa wenn man ein deutsches Militärfahrzeug aus dem Zweiten Weltkrieg mit einem Toyota Geländewagen von heute vergleicht, wie in ISIS vorzeigt, und auch, wenn man die ursprüngliche Enterprise mit der unter Captain Picard vergleicht.

Das Thema wird auch mit Frauen in Zusammenhang gebracht, jedenfalls beim Militär, also daß Frauen in der Truppe zu Topfpflanzen auf der Stube führen und dergleichen mehr, durchaus im Hinblick auf die übergeordnete Frage, ob es sich bei Topfpflanzen um bedeutsame Entwicklungen oder schwachsinnige Untersuchungen handelt.

Aber der weibliche Aspekt des Themas, welcher freilich dessen ungeachtet dennoch in ungeheurer Breite ausgewalzt wurde und wird, tut wenig zur Sache, das heißt, er ist nur in sofern relevant, als es die Sitte verbietet, Frauen ihren Mangel an Antizipation anzukreiden, andernfalls wir uns noch Frauen züchteten, welche Geburtsschmerzen antizipierten, was selbstverständlich nicht nur wenig zur Sache tut, sondern gänzlich unsachlich ist, aber der Gegenstand dieses Beitrags ist nicht die notwendige Ergebnisoffenheit des weiblichen Geistes, siehe dazu stattdessen den vorletzten, sondern der Gegensatz dazwischen, etwas abzutreten oder es zu beaufsichtigen, etwas sich selbst zu überlassen oder es zu beschlagnahmen.

Vieles läßt sich berechnen, jedenfalls wenn man alle Naturkonstanten kennt. Aber wie findet man letztere? Durch's Experiment, dadurch, die Natur sich in bestimmter Lage selbst zu überlassen und sie zu beobachten. Der Krieg ist keine Zeit großer Einsichten, lediglich eine Zeit verzweifelter Investitionen: Das erste Atom wurde noch im Frieden gespalten.

Und manches läßt sich ganz und gar nicht berechnen, der Fluß des Wassers, die menschliche Entscheidung, so daß der Prozeß sich notwendigerweise für eine Weile selbst überlassen werden muß, um herauszufinden, wohin er führt.

Deshalb gibt es Strömungskanäle und Wellenbecken, und deshalb gibt es auch soziale Modellprogramme, welche man in der Tat am besten dadurch sabotiert, daß man sie ignoriert: Wie man sich im Ernstfall entscheidet, geht keinen was an - einzig wissen, was einem ernst ist, das muß man. Zum Studium dieses Verhaltens rate ich zur Sichtung Idi Amins, wie er in The Last King of Scotland von Forest Whitaker dargestellt wird. Verhält sich erst einmal jeder so, können Sozialingenieure ihr Geschäft einstellen, wobei dann freilich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wäre, aber ich will an dieser Stelle dem Dosierungsvermögen meiner Leser vertrauen.

Hingegen geht es bei solchem Sich selbst Überlassen nur in Ausnahmefällen um Erkenntnisgewinn, im Normalfall handelt es sich schlicht um eine Herrschaftsweise, darum, Verantwortung zeitweilig zu übertragen, wie es ein Bänker tut, wenn er einen Kredit gewährt, oder eine Regierung, wenn sie die Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse zuläßt, die freie Bewegung oder den freien Handel, wobei all das unsinnig wäre, wenn nicht die berechtigte Erwartung bestünde, daß die übertragene Verantwortung im eigenen Sinne getragen wird.

Wenn sie das aber wird, so steigt das Potential des Prozesses des gesellschaftlichen Lebens, sich voll zu entfalten, proportional mit den sich einbringenden Geistern, weshalb das Militärische immer spartanisch ist, und das Spartanische immer armselig auf das Ziel ausgerichtet, wie etwa die Schwarze Suppe, heutzutage Schwarzsauer genannt, darauf, den Soldaten zu ernähren.

Und wo wir gerade davon sprechen, Ernährung ist in der Tat der ursprünglichste Spiegel dessen, wovon hier die Rede ist. Welches Obst schmeckt schon? Doch nur das ausgesuchte, dann aufgepfropfte und später veredelt gehandelte. Welches Mehl schmeckt? Doch nur das gebackene. Und auch nur das von den Gräsern, welche auf dem jährlich neu gepflügten Acker wachsen. Eine Obsttorte ist die Summe vielfacher menschlicher Arbeit und Umtriebigkeit. Sie ist fürwahr das Symbol des zivilen Lebens.

Und das Symbol des militärischen Lebens ist die Eichel, welche ausgelaugt zwar eßbar ist, aber je nach Grad der Gerbsäurereduktion irgendwo zwischen Asche und Kohle schmeckt, zuzüglich etwas Unbeschreiblichem, Eichelspezifischem. Der Eichelgenuß ist kein solcher, wenn nicht der Magen vorher schmerzte, es fehlt jede Sinnenbefriedigung, stattdessen wird der Geist angespornt, sich an mehr als am Eichelnsammeln zu versuchen - zum Beispiel an der Jagd.

Indes, um zum Abschluß zu kommen, etwas aufzuschieben ist, wie es heißt, nicht dasselbe, wie es aufzuheben, und die gegenwärtigen Verhältnisse steuern auf eine Versandung des geschichtlichen Flusses in einem Geflecht unschiffbarer Wege zu, so daß sich die Antizipation in absehbarer Zeit ihr Recht wiedernehmen muß.

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