Bereitschaftsbeitrag

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8. Mai 2017

Von der Bitterkeit

Der Mensch wünscht sich für gewöhnlich, daß sein Wirken aufgegriffen und fortgeführt wird.

Mein Menschenbild als Kind und Jugendlicher war indes so negativ, daß ich von vornherein Wege gesucht habe, welche persönlichen Entscheidungen dazu nicht bedürfen.

Der Standardansatz, die mangelnde Eignung seiner Mitmenschen zu großen Aufgaben zu umgehen, liegt in der Innovation, welche von ihnen unter falschen Vorstellungen an ihrem Busen genährt wird, um später ihr Leben in eine unvorhergesehene Richtung zu lenken.

Und macht es die Natur nicht genauso?

Indes, auch wenn ich nach meiner Bundeswehrzeit kurz die Möglichkeit erwog, Materialwissenschaften zu studieren, und auch ein dazu nötiges Praktikum abschloß - was übrigens dazu geführt hätte, daß ich Mohammed Attas Kommilitone gewesen wäre - war ich damals bereits so verbittert, daß ich mich nicht dazu durchringen konnte, an der Weiterentwicklung unserer Gesellschaft mitzuwirken, und zog es vor, Informatik zu studieren, weil ich absah, daß die Weiterentwicklung des Computereinsatzes die bestehenden Verhältnisse zerrütten würde.

Freilich, dazu bedurfte es nicht meiner Mitwirkung. Und doch, ich kannte damals schlicht kein anderes Fahrwasser, in welchem ich mich hätte aufhalten wollen.

Immerhin bestand hier die Möglichkeit, verwandte Geister kennenzulernen, und bis zu einem gewissen, unterschwelligen Grade war das auch manches Mal so.

Indes, ich möchte hier nicht ins Nacherzählen verfallen. Mein Anteil am Lauf der Welt erschien mir zunehmend läppisch, und ich suchte nach einer Möglichkeit, wenigstens für meinen Teil meinen Maßstäben gerecht zu werden.

Nur, was sind meine Maßstäbe? Meine Maßstäbe, nach denen mir die Menschen so unerträglich schienen?

Im Zentrum steht, denke ich, eine gelöste Spielerischkeit, mit welcher den Anforderungen des Lebens begegnet wird, welche sich im Wettkampf auch zu entschlossener Konzentriertheit verdichten mag, aber grundsätzlich gutmütig ist und niemals die höheren Anforderungen, wie wir als Menschen vor Gott und vor einander stehen, vergißt. Zu ihr gehört Freiheit als Voraussetzung und geistiger Reichtum als ihre Substanz.

Bedeutet Gnade nicht, daß etwas passendes freiwillig gegeben wird?

Wie können wir also gnädig sein, wenn uns Freiheit und geistiger Reichtum abgehen?

Nun gut, aus dem Blickwinkel heraus betrachtete ich also die Menschen und tue es noch, da nichts anderes mein Herz zu bewegen vermag.

Wie bitter es alles ist! Lang' bin ich in die Phantasie geflüchtet, in eine huldvollere Welt, und nun, da sich zunehmend der Weg zur wahren Aufrichtung enthüllt, ist er mit Leichen gepflastert.

Ich bin nicht geschaffen für diese Erfahrung, sie macht mich alt und müde. Und ich kann mir nicht wünschen, daß mein Wirken aufgegriffen und fortgeführt wird, selbst wenn es mittlerweile dessen wert geworden ist, aus Abscheu ist Unterweisung erwachsen, aus dem unwahrscheinlichsten Bemühen, doch über allem wölbt sich das Gericht der begründeten Ansprüche, und nur unter ihm lebt mein Wirken fort.

Könnte es doch eine Mode sein, doch es ist der Leitfaden aus dem Schlachthof: Vor der Erhöhung kommt die Erniedrigung, nicht aus Ekel, nicht aus Rache, aus dem Ziel der Gottlosigkeit allein.

Ich habe einmal Leichengift getrunken. Der verwöhnte Kater schmiß eine tote Maus in den Brunnen. Die Erfahrung läßt sich nicht beschreiben, aber wer sie macht, weiß, daß er sie schon immer kannte: Entsetzen, Entsetzen über die Lage, in welche er gelangte. Wie läßt sie sich andern wünschen?

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