Bereitschaftsbeitrag

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21. Januar 2021

Begehren und Gefallen



A computer does what you tell it to do,
not what you want it to.


Oder, um es etwas einsichtsvoller zu sagen:

Es leicht zu wissen, was man begehrt,
aber schwer abzusehen, was einem gefällt.


Begehren ist etwas haben wollen und Gefallen die Freude darüber, etwas zu haben. Durch die Verfolgung des gebundenen Heils entdecken wir unser Begehren und durch unser Gefallen das freie Heil. Während unser Begehren zu unseren Taten Anlaß gibt, ist es bei unserem Gefallen umgekehrt, und sorgenvoll erwägen wir stets, welches Schicksal uns wohl blüht.

Und hier möchte ich nun eine kleine Anleitung zur besseren Absicht dessen, was einem gefällt, geben, für Computerprogrammierer, aber auch für Gesetzgeber, denn es macht einen großen Unterschied, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden, oder aber sich eine Gesellschaftsordnung auf den Leib zu schneidern.

Beginnen wir rein logisch. Entweder wir wissen, ob etwas unter einen Begriff fällt, oder wir wissen es nicht. Im ersteren Fall haben wir eine Antwort, von welcher wir ableiten können, und im letzteren eine Frage, welche wir untersuchen müssen, soll sie uns zu etwas nützen. Um irgend voranzukommen, müssen wir das logisch Mögliche also in das logisch Erwiesene überführen.

Wenn wir nun Handlungsmöglichkeiten betrachten, so mag es logisch erwiesen sein, daß wir etwas tun können, nicht aber, ob es uns im Nachhinein gefällt. Deshalb ergibt sich, wenn wir etwas zu erreichen begehren und es mehr als eine Handlungsmöglichkeit zu diesem Zweck gibt, stets eine Frage hinsichtlich des uns Gefallenden, und zu ihrer Beantwortung das folgende Programm:
  1. Gewinnung einer Nutzenübersicht über die möglichen Handlungsmöglichkeiten,
  2. Bestimmung der Anwendungsbereiche der möglichen Handlungsmöglichkeiten und
  3. Lageeinschätzung relativ zu den Anwendungsbereichen.
Der Prozeß als ganzes sei als Anwendungsverortung bezeichnet, denn er stiftet ein Bewußtsein unterschiedlicher Anwendungsfälle, welches einer Topographie ähnelt.

Es mag aber sein, daß uns die Lageeinschätzung nicht gelingt. Das Standardbeispiel für jeden Computerprogrammierer ist, sich für eine bestimmte Anzahl von Bits zur Speicherung eines Zahlwerts zu entscheiden. In dem Fall können wir aber möglicherweise genau das Gegenteil des vorigen unternehmen, das heißt eine Anwendungsentortung, welche dadurch zu Stande kommt, daß wir Handlungsmöglichkeiten darauf reduzieren, wie zweckdienlich sie uns sind, also daß wir von Möglichkeiten zu Maßnahmen übergehen, etwa einen Zahlwert zu speichern, und die Umsetzung der Maßnahme als ein gesondertes Problem betrachten. Auf diese Weise mag es uns gelingen, eine Reihe unwägbarer Handlungsmöglichkeiten durch wägbare Maßnahmen (einfachstenfalls eine eindeutig bestimmte) zu ersetzen. Das ist das Geheimnis der so genannten objektorientierten Programmierung: Indem Variablen zu Objekten werden, werden die Möglichkeiten der Variablenänderung zu Maßnahmen (Methoden in der Sprache der objektorientierten Programmierung). Auch die im Beitrag Die Formen der Eingezogenheit gemachte Unterscheidung zwischen Dienst und Aufsicht beruht auf der Anwendungsentortung, insofern die Verantwortung für den Einsatz von Mitteln Handlungsanweisungen (welche konkrete Handlungsmöglichkeiten darstellen) durch die Maßnahme der Bewirtschaftung ersetzt.

Durch Anwendungsver- und -entortung klären wir also unser Gefallen auf, und indem wir dies tun, werden wir zur Gestaltung unserer Lebensumstände fähig (und bestünden sie nur in einer Bibliothek genannten Programmtextsammlung). Klären wir unser Gefallen hingegen nicht auf, stolpern wir ständig über unsere vorigen Entscheidungen, welche sich für Handlungen entschieden, weil sie möglich waren, ohne einen Begriff ihres Anwendungsbereiches, beziehungsweise einen unauflösbaren, zu besitzen.

Insbesondere hängt auch der Grad, zu welchem uns das Verbindende, Ratsame und Hirtliche anzuleiten vermögen, vom Grad dieser Klärung ab. Und Zykel müssen zurückgesetzt werden, weil diese Klärung niemals fehlerfrei ist: Je fehlerfreier allerdings, desto länger der Zykel.

Die Amerikaner unterscheiden sich von anderen Völkern dadurch, daß sie ihr Gefallen überhaupt nicht kennen: Wenn alles möglich ist, ist nichts, denn was ist, schließt sein Gegenteil aus. Dadurch fällt es ihnen leichter, ihren Platz unter der Herrschaft der Unvernunft zu finden, denn ihr Begehren ergreift jedes Mögliche, doch zugleich macht es sie unfähig, sich zu ordnen, und es macht sie auch unfähig, sich gegen fremde Ordnungsabsichten zu verteidigen, denn es gibt keinen Bereich, welcher so geordnet ist, daß er ihnen allen gefällt, und von dem sie also wissen, daß, wenn sie sich in ihn zurückziehen, sie in ihm sicher sind, weil sie ihn geschlossen verteidigen werden. Daß es so ist, erkannte ich bereits mit 20 Jahren als ich dort war: Alles, was die Amerikaner gemeinsam haben, ist, daß sie gerne Geld umtauschen. Sie sind zu 100% offensiv aufgestellt und zu 0% defensiv. Wenn es irgendwo etwas zu holen gibt, fragen sie nicht, ob sie ihre Flanke öffnen.

Und wo wir gerade von ethnischen Kuriositäten reden: Wenn ich das neutestamentarische Bild der Juden daraufhin ansehe, wie sie es mit Begehren und Gefallen halten, so stellt es sich mir so dar, daß die Juden in dem Glauben leben, daß ihnen ihre Taten stets gefallen werden, so lange sie sich an ihre Gesetze, beziehungsweise ihre Rabbis, halten, also daß Gott durch Moses und Aron unfehlbar Verbindendes, Ratsames und Hirtliches in die Welt gesetzt hat. Der Witz dabei ist weniger die Anmaßung als die Erwartung (siehe auch The Little Shop of Horrors: Feed me! spricht selbstverständlich der Köpfe sammelnde Rabbi.)

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