Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

30. Januar 2021

Das Streben nach Unendlichkeit und Endlichkeit in den drei Zeitaltern

Beginnen wir mit folgender Beobachtung. Selbständigkeit strebt nach Unendlichkeit und Transgression nach Endlichkeit. Es gibt zwei Arten der Transgression, die passive und die aktive. Die passive entspringt dem Sicherheitsbedürfnis, welchem die eigene Lebensweise bereitwillig untergeordnet wird, die aktive dem Stolz auf die eigenen Theorien. Die aktiven Transgressoren sind Kulturstifter und die passiven Kulturbewahrer, die Selbständigen sind Kulturentwickler.

Die Selbständigen betrachten ihr Leben als etwas Kleines, welches in etwas Großes hineinwächst. Die passiven und aktiven Transgressoren betrachten ihr Leben als endlich und endgültig. Der Begriff der Transgression bezieht sich darauf, dazu beizutragen, anderen Vorschriften zu machen. Es ist offensichtlich, warum ein solches Unterfangen Endlichkeit voraussetzt und woher es kommt, daß der Rückzug auf die eigenen Belange die Unendlichkeit eröffnet: Die Gruppe verbindet der Vertrag, welcher endlich ist.

Die drei Zeitalter besitzen jeweils ein Fundament, welches unverändert bleibt und die Entwicklung trägt.
  • Anerkennung trägt das Zeitalter der Wacht,
  • Unterstützung das Zeitalter der Werke und
  • Gewährung das Zeitalter der Wunder.
Wie also zeigt sich das Streben nach Endlichkeit in diesen?
  • Sinnstiftung fixiert die weltlichen Gesetze, schön an der Begründung des ptolemäischen Weltbilds durch die Würde der Götter, deren Vernünftigkeit nur die Kreisbahn gerecht wird, zu studieren,
  • Bestimmungserklärung fixiert die weltlichen Ziele, worüber der örtliche Pastor Auskunft gibt, und
  • Ansatzprägung fixiert die weltlichen Aufgaben, wie im folgenden Beispiel:
Wenn alles gerade so verfaßt ist, daß es gerade das, was es zu leisten vermag, zu leisten vermag, dann kann es seine Verfassung dadurch vor jedweder Veränderung schützen, daß es sich bis an die entgegengesetzten Grenzen seiner Leistungsfähigkeit treibt: Eine Gesellschaft, welche Verweichlichung fürchtet, kann den Kampf suchen und ein Körper, welcher um seine Gesundheit fürchtet, abwechselnd Sauna und Eisbäder. Dieser Ansatz möge sinnfälligerweise Aufrechtkreiseln heißen und kann wohl unbedenklich in den Kanon des Zeitalters der Wunder aufgenommen werden.

Wären die weltlichen Gesetze nicht fixiert, so könnte auch die Anerkennung nicht unverändert bleiben, änderten sich die weltlichen Ziele, so ließe sich die Unterstützung nicht fixieren, und wie ließe sich die Gewährung fixieren, wenn es keinen abgeschlossenen Satz tüchtiger Ansätze gäbe?

Natürlich nimmt aber auch die Sinnstiftung, Bestimmungserklärung und Ansatzprägung eine gewisse Zeit in Anspruch, während derer sie sich entwickeln. Genau dies ist die dogmatische Phase des Glaubenszykels.

Während also am Anfang eines Zeitalters die Haltung (im weiteren Sinne), die Aufmerksamkeit oder die Stellung, soweit sie die weltlichen Gesetze, beziehungsweise Ziele oder Ansätze betreffen, fixiert wird, kommt es wie gesagt zu ihrer Befreiung, soweit es die Entgegnungsweise, beziehungsweise das Beschäftigungsfeld oder die Aneignungsfülle betrifft: Was die Welt von Einlösung, Verfolgung oder Auslösung fordert steht fest, nicht aber, wie sie ihr genügen, worin insbesondere der Polytheismus des Zeitalters der Wacht wurzelt.

Gleichzeitig streben die drei Zeitalter aber auch nach Unendlichem, nämlich nach
  • unendlicher Läuterung der Stellung durch fortgesetzte Aufgaben im Zeitalter der Wacht,
  • unendlicher Durchdringung der Haltung (im weiteren Sinne) durch fortgesetzte Lehren im Zeitalter der Werke und
  • unendlichem Vertrautwerden der Aufmerksamkeit durch fortgesetzte Teilhabe im Zeitalter der Wunder.
Dabei verhindert, wie man sieht, das Streben nach Endlichkeit eines Zeitalters das Streben nach Unendlichkeit des nächsten, also
  • die Sinnstiftung die unendliche Durchdringung (Galileo Galilei, ja, ich weiß, so ist die katholische Kirche halt),
  • die Bestimmungserklärung das unendliche Vertrautwerden und
  • die Ansatzprägung die unendliche Läuterung.
Der letztere Punkt verdient wohl eine Erklärung. Das einfachste Beispiel des Zeitalters der Wunder kreist um die Jagd. Bestimmte Jagdtechniken werden dem jungen Jäger vermittelt. Anschließend wird er mit den Tieren und ihren Eigenarten vertraut. Darin besteht der kulturelle Fortschritt, nicht in der Verbesserung der Jagdtechniken. Die Jagdtechniken, das heißt das Kriegshandwerk, wird im Zeitalter der Wacht weiterentwickelt. (Und die Waffen schließlich im Zeitalter der Werke.) Doch freilich kann ein Jäger mit dem Gift von Pflanzen vertraut werden und es in seine Jagdtechniken miteinbeziehen.

In letzter Zeit drängt sich mir die Verblendung von Konferenzteilnehmern auf. Ich erwarte mit Gewißheit ihr Scheitern. Es ist das Streben nach Endlichkeit in Form der Bestimmungserklärung, ohne welche es keine Konferenzen gäbe, denn offensichtlich folgt jede Konferenz einer Bestimmung. Glaube ich also an die Popularität des Strebens nach unendlichem Vertrautwerden? Das ist vielleicht zu viel gesagt, aber ich glaube durchaus, daß die Menschen verstehen, daß diesbezüglich ein Anfang gemacht werden muß, denn die jetzige Unvertrautheit mit der Welt, in welcher wir leben, ist unhaltbar.

Labels: , , , , , , , , , , ,