Die sozialen Ausformungen des Glaubens
Mal von Ingrid Bergman abgesehen, und sie war ja auch nur Halbdeutsche, ist diese Darbietung der gerade einmal 21 jährigen Meret Becker die größte Leistung einer deutschen Schauspielerin aller Zeiten: Heute back' ich, morgen brau' ich und übermorgen hol' ich Brösel! Jach! Juchu!
[Grandioser Film, gerade auch die Stellen, welche nicht Zeichentrick sind. Allein schon der Einfall, den Text des Hochzeitsmarsches mitzusingen, wiewohl für Streiter der Tugend, schreite voran! Zierde der Jugend, schreite voran! auch noch Zeit gewesen wäre.]
Nun, und dann wieder das Übliche, allzu Übliche. Was wahrscheinlich nicht allzu viele Menschen verstehen ist, daß ein richtiges Urteil über einen Gegenstand nicht zwangsläufig ein verständiges Urteil über ihn ist. Allzu oft beurteilen wir etwas, versichern uns, daß unser Urteil stimmt, und gehen dann um kein Stück klüger weiter.
Also, Meret Becker und allen jungen, aufgeweckten Menschen gewidmet, eine vollständige platonische Dialektik der sozialen Ausformungen des Glaubens, welche ihnen dabei helfen möge, sich in Glaubensfragen in unserer Gesellschaft zurechtzufinden.
Zunächst einmal unterscheiden wir die sozialen Ausformungen des Glaubens danach, ob der Glaube etwas persönliches oder etwas gemeinschaftliches betrifft.
Betrifft er etwas persönliches, so fragen wir, ob uns dasjenige, woran wir glauben, innerlich bekannt ist oder nicht. Ist es uns bekannt, so sind wir eigenständig, und bei demjenigen, an was wir glauben, handelt es sich um die von mir betrachteten Lebensziele.
Sind wir hingegen von dem, woran wir konkret glauben, einstweilen geschieden, so fragen wir weiter, ob wir uns in unserer Ausgeschlossenheit blind dem Lauf der Welt überlassen oder blind dem Urteil anderer vertrauen. Überlassen wir uns blind dem Lauf der Welt, so sind wir passiv und nehmen einstweilen mit dem abstrakten Glauben an unsere Versetzung durch äußere Anstöße vorlieb. Und wenn wir blind dem Urteil anderer vertrauen, so sind wir Darsteller, welche einstweilen mit dem abstrakten Glauben an die Bestätigung durch ihr Publikum vorliebnehmen, wobei es dazu kommen kann, daß Darsteller und passives Publikum sich gegenseitig in gemeinsamer Blindheit den Weg zu demjenigen, woran sie jeweils konkret glauben, weisen, wiewohl naturgemäß nicht ohne zu stolpern.
Betrifft der Glaube etwas gemeinschaftliches, so fragen wir, ob es etwas gleichbleibendes oder etwas zeitgemäßes ist. Offensichtlich kann etwas Gleichbleibendes nicht von etwas Zeitgemäßem abhängen und gleichzeitig gleich bleiben, und also bildet das Gleichbleibende die Grundlage, auf welcher das Zeitgemäße aufbaut. Wenn also einer an etwas gleichbleibendes gemeinschaftliches glaubt, so glaubt er an eine Institution und ist ihr Diener. Und wenn er an etwas zeitgemäßes gemeinschaftliches glaubt, so glaubt er an eine Handlungsstrategie und macht bei ihr mit.
Betrachten wir als Anwendung dieses Verständnisses nun Politik und Religion.
Eigenständigkeit hat in der Politik nichts zu suchen, Passivität auch nicht. Bleiben Darsteller, Diener und Mitmachende. Woran können wir sie erkennen? Nun, an der Beständigkeit dessen, was sie sagen. Wenn jemand über Jahrzehnte dasselbe predigt, so sucht er Diener für eine Institution, in unserer Zeit vornehmlich seine eigene Partei, zu gewinnen. Wenn er hingegen von Dingen redet, welche in absehbarer Zeit erledigt werden müssen, so sucht er Mitmachende. Und wenn er stets das sagt, was ihm den größten Zuspruch verspricht, so sucht er sich als Darsteller auf sein Publikum einzustellen.
Es geht schon in Ordnung, Meret, vor einer Verbindung von Darstellern mit einem überwiegend passiven Publikum auf der Hut zu sein. Das Urteil stimmt. Aber daneben sollte man besser auch sehen, daß so mancher vorgibt, es ginge ihm um eine Handlungsstrategie, wenn alles darauf hindeutet, daß es ihm nur um die Stärkung bestimmter Institutionen geht.
Die Religion ist etwas inklusiver als die Politik: Darstellern gibt sie die Möglichkeit, sich in gepriesener Funktion hervorzutun, Mitmachenden ihren Zuspruch bei anstehenden Projekten, ihren Dienern verspricht sie das ewige Leben und Passiven Inspiration durch Gesang und Predigt. Nur mit denjenigen, welche konkret an etwas glauben, kann sie, wenigstens heutzutage, nichts anfangen - mit Ausnahme Philadelphias, also derjenigen, welche die Barmherzigkeit antreibt, was angesichts dessen, daß sich sogar die Schüler der Synagoge Satans vor ihnen verneigen, allerdings nicht weiter bemerkenswert ist.
[Grandioser Film, gerade auch die Stellen, welche nicht Zeichentrick sind. Allein schon der Einfall, den Text des Hochzeitsmarsches mitzusingen, wiewohl für Streiter der Tugend, schreite voran! Zierde der Jugend, schreite voran! auch noch Zeit gewesen wäre.]
Nun, und dann wieder das Übliche, allzu Übliche. Was wahrscheinlich nicht allzu viele Menschen verstehen ist, daß ein richtiges Urteil über einen Gegenstand nicht zwangsläufig ein verständiges Urteil über ihn ist. Allzu oft beurteilen wir etwas, versichern uns, daß unser Urteil stimmt, und gehen dann um kein Stück klüger weiter.
Also, Meret Becker und allen jungen, aufgeweckten Menschen gewidmet, eine vollständige platonische Dialektik der sozialen Ausformungen des Glaubens, welche ihnen dabei helfen möge, sich in Glaubensfragen in unserer Gesellschaft zurechtzufinden.
Zunächst einmal unterscheiden wir die sozialen Ausformungen des Glaubens danach, ob der Glaube etwas persönliches oder etwas gemeinschaftliches betrifft.
Betrifft er etwas persönliches, so fragen wir, ob uns dasjenige, woran wir glauben, innerlich bekannt ist oder nicht. Ist es uns bekannt, so sind wir eigenständig, und bei demjenigen, an was wir glauben, handelt es sich um die von mir betrachteten Lebensziele.
Sind wir hingegen von dem, woran wir konkret glauben, einstweilen geschieden, so fragen wir weiter, ob wir uns in unserer Ausgeschlossenheit blind dem Lauf der Welt überlassen oder blind dem Urteil anderer vertrauen. Überlassen wir uns blind dem Lauf der Welt, so sind wir passiv und nehmen einstweilen mit dem abstrakten Glauben an unsere Versetzung durch äußere Anstöße vorlieb. Und wenn wir blind dem Urteil anderer vertrauen, so sind wir Darsteller, welche einstweilen mit dem abstrakten Glauben an die Bestätigung durch ihr Publikum vorliebnehmen, wobei es dazu kommen kann, daß Darsteller und passives Publikum sich gegenseitig in gemeinsamer Blindheit den Weg zu demjenigen, woran sie jeweils konkret glauben, weisen, wiewohl naturgemäß nicht ohne zu stolpern.
Betrifft der Glaube etwas gemeinschaftliches, so fragen wir, ob es etwas gleichbleibendes oder etwas zeitgemäßes ist. Offensichtlich kann etwas Gleichbleibendes nicht von etwas Zeitgemäßem abhängen und gleichzeitig gleich bleiben, und also bildet das Gleichbleibende die Grundlage, auf welcher das Zeitgemäße aufbaut. Wenn also einer an etwas gleichbleibendes gemeinschaftliches glaubt, so glaubt er an eine Institution und ist ihr Diener. Und wenn er an etwas zeitgemäßes gemeinschaftliches glaubt, so glaubt er an eine Handlungsstrategie und macht bei ihr mit.
Betrachten wir als Anwendung dieses Verständnisses nun Politik und Religion.
Eigenständigkeit hat in der Politik nichts zu suchen, Passivität auch nicht. Bleiben Darsteller, Diener und Mitmachende. Woran können wir sie erkennen? Nun, an der Beständigkeit dessen, was sie sagen. Wenn jemand über Jahrzehnte dasselbe predigt, so sucht er Diener für eine Institution, in unserer Zeit vornehmlich seine eigene Partei, zu gewinnen. Wenn er hingegen von Dingen redet, welche in absehbarer Zeit erledigt werden müssen, so sucht er Mitmachende. Und wenn er stets das sagt, was ihm den größten Zuspruch verspricht, so sucht er sich als Darsteller auf sein Publikum einzustellen.
Es geht schon in Ordnung, Meret, vor einer Verbindung von Darstellern mit einem überwiegend passiven Publikum auf der Hut zu sein. Das Urteil stimmt. Aber daneben sollte man besser auch sehen, daß so mancher vorgibt, es ginge ihm um eine Handlungsstrategie, wenn alles darauf hindeutet, daß es ihm nur um die Stärkung bestimmter Institutionen geht.
Die Religion ist etwas inklusiver als die Politik: Darstellern gibt sie die Möglichkeit, sich in gepriesener Funktion hervorzutun, Mitmachenden ihren Zuspruch bei anstehenden Projekten, ihren Dienern verspricht sie das ewige Leben und Passiven Inspiration durch Gesang und Predigt. Nur mit denjenigen, welche konkret an etwas glauben, kann sie, wenigstens heutzutage, nichts anfangen - mit Ausnahme Philadelphias, also derjenigen, welche die Barmherzigkeit antreibt, was angesichts dessen, daß sich sogar die Schüler der Synagoge Satans vor ihnen verneigen, allerdings nicht weiter bemerkenswert ist.
Labels: 32, charaktere, formalisierung, gesellschaftsentwurf, gesellschaftskritik, gesetze, institutionen, sehhilfen, wahrnehmungen, ἰδέα, φιλοσοφία