Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

5. März 2022

Selbstverwirklichung, Schicksal und ethische Eigenständigkeit

In den Willen anzulegen, zu wählen und zu erfassen drückt sich das Streben unserer Seele, das Heil zu verwirklichen aus, und in den Willen zu erfahren und zu erleben ihr Streben, unser Schicksal an- und also unseren Platz im Sein einzunehmen.

Das Sein ist stets mehr als des Menschen Verwirklichung, und so lange dieser Überschuß dem Menschen weit scheint, die Natur sich über der Kultur wölbt, besteht eine implizite transzendente Verbundenheit mit dem Sein, welche unsere Selbstverwirklichung mit unserem Schicksal harmonisiert. Doch wenn unsere Antizipation sich eintrübt, derart daß
  • unsere Stimmung von Unheiligkeit, Ungeheuerheit und Unstimmigkeit bestimmt wird,
  • wir nicht zu unserem Verfolgen aufgerufen werden, unser Einlösen unbedeutend scheint und uns unser Auslösen nicht mit Zuversicht erfüllt, und
  • wir Übles erwarten,
bedrückt uns die Unnatürlichkeit unseres Lebens.

Die Art des Problems hängt vom Zeitalter ab. Im Zeitalter
  • der Werke bedroht die technische Dominanz unser seelisches Gleichgewicht, indem uns die Einförmigkeit erstickt,
  • der Wunder ist es die geistige Gemeinsamkeit, indem ihre Aktualisierungen unfähig werden, einander zu handhaben, und
  • der Wacht ist die soziale Verbundenheit, indem uns ihre Organisation in Ketten schlägt.
Entweder wir erkennen, daß wir auf die dem generativen Zykel des Zeitalters entsprechende Weise nichts am Problem ändern können, was uns in unserer Vereinzelung in die explizite transzendente Verbundenheit mit Gott treibt, oder wir verschärfen durch unsere Beteiligung an ihm unsere Lage nur noch.

Zur Transzendenz habe ich zwar schon alles gesagt, aber so viel sei hier aufgeführt, daß die generativen Zykeln mit Gehießenheiten, Erfahrungsweisen und Wirkmächten einhergehen, deren Kombinationen jeweils unserem (subjektiven) Glauben nach der Zeit entsprechen oder nicht, und indem uns dies bewußt wird, können wir dafür beten, uns das der Zeit Entsprechende (und damit Bedeutungsvolle) zu eigen zu machen, wobei die Befolgung des zugehörigen Zykels das dafür notwendige Bekenntnis darstellt, nämlich für das den Glaubenszykel objektiv (da ein neues Zeitalter einleitend) zurücksetzende Gebet. Ich habe also für einen Rahmen gebetet, in welchem ich beten kann, und bete seitdem in ihm, was subjektiv ein Voranschreiten im Glaubenszykel darstellt, und diese Möglichkeit dürfte für alle Menschen bestehen, sofern sie demütig und sündenfürchtig sind.

Ethische Eigenständigkeit bedeutet, seinen (subjektiven) Glauben besser zu kennen als andere, insbesondere natürlich Geistliche. Sie ist keineswegs selbstverständlich, welcher Vater kennte den (subjektiven) Glauben seines Sohnes, jedenfalls anfänglich, nicht besser als dieser?, sondern das Produkt der Ergründung seiner selbst, und sie hängt mit der Ausgestaltung der beherzigenden Phase des generativen Zykels, sowie mit dem Übergang von einem Zeitalter zum nächsten zusammen, denn die Beherzigung erfolgt entweder eigenständig oder nicht.

Wenn die
  • Unterstützung eigenständig erfolgt, so wirkt sie moderierend (vergleiche Smyrna) auf die Gesellschaft, und stiftet also geistige Gemeinsamkeit, aber in ihrer Folge auch größere technische Dominanz,
  • Gewährung eigenständig erfolgt, so wirkt sie spezialisierend auf die Gesellschaft und stiftet also soziale Verbundenheit, aber in ihrer Folge auch zunehmend überforderte geistige Gemeinsamkeit, und
  • Anerkennung eigenständig erfolgt, so wirkt sie innovativ auf die Gesellschaft und stiftet also technische Dominanz, aber in ihrer Folge auch größere soziale Verbundenheit.
Nicht allen gefällt die eigenständige Beherzigung. Platon warnt in den Nomoi ausdrücklich davor, einen Menschen mehr als ein Handwerk ausüben zu lassen, weil er sich vor den sich daraus ergebenden Abhängigkeiten, den persönlichen (heute etwa Softwareprogrammierer, welche ihre Programme mit persönlichen Hintertüren versehen), als auch dem technischen Fortschritt im allgemeinen fürchtet, insofern er zu unübersichtlichen Standesverhältnissen führt. Und wie ich bereits im vorigen Beitrag erwähnte, ist es in unserem Zeitalter die katholische Kirche, welche ihre Schäfchen durch deren Sündigkeit hervorkehrende Fragen kleinhält, so daß sie sich nicht schwärmerisch eigenständig in die Gestaltung der Technologie einbringen, weshalb eben die Industrialisierung in den protestantischen Ländern schneller vonstatten ging, wohingegen sich in den katholischen Ländern die Mafiosi mißtrauisch belauern.

Es gereicht uns heute aber zum Vorteil, wenn wir ethisch eigenständig sind. Zwar beschleunigt es unseren Untergang, aber zugleich erlaubt es unsere Wiederauferstehung, und das ist noch in jedem Zeitalter so: Im Zeitalter
  • der Wacht bildet soziale Verbundenheit sowohl die Grundlage, welche es erlaubt, normiert anzuerkennen, als auch die Ketten, in welche es schließlich geschlagen wird,
  • der Werke bildet technische Dominanz sowohl die Grundlage, welche es erlaubt, normiert zu unterstützen (die Burg als Keimzelle des Abendlands), als auch die Schlinge, welche es erstickt, und
  • der Wunder bildet geistige Gemeinsamkeit sowohl die Grundlage, welche es erlaubt, normiert zu gewähren, als auch die Handschellen, welche seine Handhabung hindern.
So lange aber die Menschen ethisch uneigenständig bleiben, werden sie von jenen, welche die ethische Autorität an sich gerissen haben, zu deren Zwecken instruiert, heute etwa dazu, sich gegenseitig das zum Leben Gehörige abzuschneiden, im Rahmen der Belagerung der Feinde des Systems, welches doch der Quell alles Guten ist. Dabei kann alles nur weniger heilig, geheuer und stimmig werden, bis schließlich das Eis bricht und die Selbsterkenntnis hinreicht, um ethisch eigenständig zu werden, das Heil zu erkennen und sich nicht mehr in Feindschaft zum Sein zu verwirklichen.

Labels: , , , , , , , , , , , , ,