Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

13. Juni 2022

Zur jugendlichen Perspektive auf das Leben

Ich habe den Beitrag Geist und Samsara nicht vollständig ausgearbeitet, weil ich vorigen Montagnachmittag zu müde war, es zu tun.

Ich hatte mir vorher an dem Tag Depeche Mode's Some Great Reward Album angehört, und es brachte alle möglichen Erinnerungen aus meiner Jugend zurück, Depeche Mode's The Singles 81-85 Album ist eines der ersten, welches ich mir gekauft habe, und drei Lieder auf ihm stammen von Some Great Reward. Es war also so ähnlich wie als ich zum ersten Mal die Captain Future-Folge Die Elektromenschen sah, welche mir als Kind entging (und zunehmend gespenstischere gesellschaftliche Relevanz erlangt).

Genauer gesagt berührten mich diesmal die Lieder It doesn't matter, Stories of Old und Somebody. Musikalisch sind es Gurken (Somebody nicht ganz so), aber der Ausblick auf das Leben in ihnen deckt sich zu 100% mit dem Ausblick auf das Leben, welchen ich 1986 zusammen mit den übrigen Mitgliedern der Hockeymannschaft der Spielvereinigung Blankenese im Zug nach München diskutierte.

Um es noch einmal explizit zu sagen, denn ich selbst lief Gefahr, es zu vergessen, das Samsara besteht nicht aus Erfahrungsmustern, Planungsansätzen und Abzielungen, sondern aus Lagen, Taten und Ansprüchen, und erst indem wir
  • Taten zu Lagen bestimmen, bildet sich unsere Erfahrung,
  • Ansprüche zu Taten, unsere Haltung und
  • Lagen zu Ansprüchen bestimmen, bilden sich unsere Vorhaben.
Schopenhauer erwähnt den luziden Intellekt 11- bis 12-jähriger, welchem indes der Generalbaß des Willens fehle. Das ist den erwähnten Liedern Depeche Mode's zweifellos angemessen, wiewohl Dave Gahan bei der Veröffentlichung von Some Great Reward bereits 22 und Martin Gore 23 Jahre alt war, aber ich sollte da wohl nicht mit Steinen werfen.

Jedenfalls müssen Jugendliche ihre Erfahrung, Haltung und Vorhaben erst einmal bilden, und nur auf diese beziehen sich Vorliebe, (subjektiver) Glaube und Gewissen auf klare Weise, die Vorliebe auf Entwicklungsmuster, der (subjektive) Glaube auf Planungsansätze und das Gewissen auf Abzielungen, noch klarer die Vorliebe auf Abhängigkeiten, der (subjektive) Glaube auf Gültigkeiten und das Gewissen auf Verantwortlichkeiten, doch machen sich Jugendliche ja nicht klar, wovon sie abhängen, was gültig ist und wofür sie verantwortlich sind, sondern verdrängen es, womit auch ihre Erfahrung, Haltung und Vorhaben im Fluß bleiben.

Übrigens, während Depeche Mode's Some Great Reward unreflektiert der jugendlichen Unbestimmtheit frönt, geht es in Supertramp's Crime of the Century, und allgemeiner der ganzen Hippie-Bewegung, was ich glücklicherweise noch aus eigener Anschauung bestätigen kann, - sagte ich schon, daß die Hippie-Bande, welche in unserem Pflaumenbaum, der allerdings nie trug, ein Baumhaus aufgeschlagen hatte, mich eines Tages einlud, um mir zwei Supertramp-Alben anzuhören? Ich weiß allerdings nicht mehr welche, aber es muß 1979 gewesen sein, und eines war wahrscheinlich Crime of the Century, das andere Even in the Quietest Moments oder Breakfast in America - darum, sich über die eigene Abhängigkeit klar zu werden: And grow up just like them, won't let you work it out.

Work it out indeed... Nein, ich vergesse weder eine gute, noch eine schlechte Tat. Also, der Jugendliche lebt im Kreislauf seiner Lagen, Taten und Ansprüche, ohne daß sich ihm aus ihnen ein festes Bild zusammenfügte, aber das heißt nicht, daß er keine Vorliebe, keinen (subjektiven) Glauben oder kein Gewissen besäße, nur zeigen sie sich ihm auf mittelbarere Weise, nämlich indem
  • wo die Vorliebe berührt wird, größere Regheit in den Kreislauf kommt,
  • wo der (subjektive) Glaube berührt wird, seine unreflektiert angenommene Haltung in Zwiespalt zu seinem Wesen gerät, und
  • wo das Gewissen berührt wird, Lagen, Taten und Ansprüche an Gewicht gewinnen.
Und damit sollte die scheinbare Merkwürdigkeit des Gesagten behoben worden sein.

Labels: , , , , , , , , , , , ,