Dostojewskijs Kirche
Nach Dostojewskij besteht die Kirche aus allen Menschen, welche sich als Kinder Gottes betrachten und bemüht sind, Gutes zu tun. Ohne hier Haare spalten zu wollen und wohlwissend, was damit gemeint ist, stimme ich dieser Auffassung zu.
Er sagt dann (in den Brüdern Karamasow), daß die katholische Kirche seit Karl dem Großen sich selbst als Staat auffassen würde, das heißt die Anforderungen an einen Staat als Anforderungen an die Kirche akzeptieren würde, was meines Erachtens aber nicht stimmt, da die katholische Kirche anfänglich den kirchlichen Ansprüchen durch die verschiedenen Königreiche nachkam, nämlich den Adel für das Wohl des Volkes zu interessieren und ihn durch die Stellung der Juden zu kontrollieren.
Indem die Adeligen hingegen zunehmend Einfluß auf die Papstwahl gewannen, verlor die katholische Kirche ihren kirchlichen Anspruch, was darin gipfelte, die Welt zwischen Spanien und Portugal aufzuteilen, und die Reformation ist in erster Linie als Protestbewegung der übergangenen Adeligen zu verstehen, welche ihrerseits, in der Lage, in welcher sie sich befanden, dem kirchlichen Anspruch nur partiell, nämlich auf ihre Untertanen beschränkt, gerecht werden konnten.
Es bestand also in der Zeit zwischen 1529 und 1789 kein wesentlicher Unterschied zwischen Katholiken und Protestanten im Hinblick auf ihren kirchlichen Anspruch, sehr wohl aber in ihrem Verständnis des kirchlichen Auftrags, was auf Seiten der Protestanten in der Gründung der Vereinigten Staaten gipfelte, welche aber von Beginn an unter dem intellektuellen Einfluß des kommenden französischen Säkularismus standen.
Säkulare Staaten, wie sie seit 1789 bestehen, können hingegen nicht als Kirchen verstanden werden, auch nicht als Kirchen mit auf ihre Bürger beschränktem Anspruch, sondern lediglich als Zweckgemeinschaften. Dostojewskij bringt dasselbe Argument wie Pastor Milch, nämlich daß sich niemand gegen das Urteil der Kirche stellen wird, was auch stimmt, wenn wir von der Kirche im obigen Sinne sprechen, aber die Kirche im obigen Sinne verfügt, wenigstens heutzutage, nicht über die Möglichkeit, ihre Urteile zu formulieren, ja, noch nicht einmal über die Möglichkeit, sich zu präsentieren. Die Kirche im obigen Sinn ist existent, aber nicht zu greifen oder zu verorten, jedenfalls nicht in hinreichendem Umfang, und deshalb zählt das eigene Urteil mehr als das öffentlich vorgetragene, das eigene Gewissen mehr als die Anschuldigungen in einem stalinistischen Verhör, aber dies sind die Stützen der heutigen Gesellschaft nicht bereit zuzugeben: Sie klammern sich vielmehr an ihre Unfehlbarkeit von Amts wegen, wie an den Mast eines untergehenden Schiffs.
Allerdings besteht immernoch eine transzendente Verbundenheit der Kirche, und im Falle von transzendenten Zurechtweisungen muß man ihr Urteil anerkennen. Ich bin gewisser Frivolitäten schuldig, von welchen ich nicht wußte, ob sie mehr schaden oder nutzen würden, und es auch jetzt nicht weiß, doch ich weiß, daß mein Handeln frivol war. Ich rede in erster Linie von meinem Fingerzeig auf Steamboat Geyser als Ankündigung einer möglichen Deutung der fünften Schale des Zorns Gottes: Selbst wenn es eine sein sollte, ist mein Fingerzeig zu sehr von Sensationalismus angetrieben worden, und es ist auch nicht recht, sich durch jeden weiteren Ausbruch bestätigt zu fühlen, als ob man ewig in dieser Position verweilen könnte, weder voran-, noch zurückschreitend. Nun denn, ich weiß, daß ich nicht würdevoll bin, aber es kann auch keine Würdevollheit geben, wenn sich die Kirche nicht präsentiert.
Post Scriptum vom selben Tag. Daß ein säkularer Staat keine Kirche bilden kann, folgt natürlich unmittelbar aus der gegebenen Definition, aber in der Sache liegt es daran, daß durch den Glauben an Gott ein implizites Ziel für die Gemeinschaft gegeben ist, welches jederzeit neu expliziert werden kann, ohne beliebig zu werden: Der Glaube an Gott als den Schöpfer der Welt führt zu einer Sicht auf seine Schöpfung und insbesondere den Menschen, welche aktiv den gottgefälligen Umgang mit ihr und insbesondere ihnen sucht, und nur wenn eine derartige Übereinstimmung in einer Gemeinschaft besteht, kann sie in der Sache eine Kirche sein. Jeder säkulare Staat muß sich hingegen auf einen expliziten Vertrag berufen, welcher zwar auch neu verhandelbar sein kann, aber ohne implizite Garantien: Am nähesten käme er der Kirche noch dadurch, daß er sich eine Verfassung gäbe, in welcher er bestimmte (gottgefällige) Eigenschaften für obligatorisch für seine Institutionen erklärt, aber schließlich würden Rechtsanwälte diese Eigenschaften in ihr Gegenteil verkehren, selbst wenn anfänglich keine Fehler, wie etwa der vierte Verfassungszusatz der Vereinigten Staaten, gemacht wurden, welcher in seiner Favorisierung der Mafia zu allerlei verkorksten Gegenmaßnahmen wie civil asset forfeiture nötigt.
Er sagt dann (in den Brüdern Karamasow), daß die katholische Kirche seit Karl dem Großen sich selbst als Staat auffassen würde, das heißt die Anforderungen an einen Staat als Anforderungen an die Kirche akzeptieren würde, was meines Erachtens aber nicht stimmt, da die katholische Kirche anfänglich den kirchlichen Ansprüchen durch die verschiedenen Königreiche nachkam, nämlich den Adel für das Wohl des Volkes zu interessieren und ihn durch die Stellung der Juden zu kontrollieren.
Indem die Adeligen hingegen zunehmend Einfluß auf die Papstwahl gewannen, verlor die katholische Kirche ihren kirchlichen Anspruch, was darin gipfelte, die Welt zwischen Spanien und Portugal aufzuteilen, und die Reformation ist in erster Linie als Protestbewegung der übergangenen Adeligen zu verstehen, welche ihrerseits, in der Lage, in welcher sie sich befanden, dem kirchlichen Anspruch nur partiell, nämlich auf ihre Untertanen beschränkt, gerecht werden konnten.
Es bestand also in der Zeit zwischen 1529 und 1789 kein wesentlicher Unterschied zwischen Katholiken und Protestanten im Hinblick auf ihren kirchlichen Anspruch, sehr wohl aber in ihrem Verständnis des kirchlichen Auftrags, was auf Seiten der Protestanten in der Gründung der Vereinigten Staaten gipfelte, welche aber von Beginn an unter dem intellektuellen Einfluß des kommenden französischen Säkularismus standen.
Säkulare Staaten, wie sie seit 1789 bestehen, können hingegen nicht als Kirchen verstanden werden, auch nicht als Kirchen mit auf ihre Bürger beschränktem Anspruch, sondern lediglich als Zweckgemeinschaften. Dostojewskij bringt dasselbe Argument wie Pastor Milch, nämlich daß sich niemand gegen das Urteil der Kirche stellen wird, was auch stimmt, wenn wir von der Kirche im obigen Sinne sprechen, aber die Kirche im obigen Sinne verfügt, wenigstens heutzutage, nicht über die Möglichkeit, ihre Urteile zu formulieren, ja, noch nicht einmal über die Möglichkeit, sich zu präsentieren. Die Kirche im obigen Sinn ist existent, aber nicht zu greifen oder zu verorten, jedenfalls nicht in hinreichendem Umfang, und deshalb zählt das eigene Urteil mehr als das öffentlich vorgetragene, das eigene Gewissen mehr als die Anschuldigungen in einem stalinistischen Verhör, aber dies sind die Stützen der heutigen Gesellschaft nicht bereit zuzugeben: Sie klammern sich vielmehr an ihre Unfehlbarkeit von Amts wegen, wie an den Mast eines untergehenden Schiffs.
Allerdings besteht immernoch eine transzendente Verbundenheit der Kirche, und im Falle von transzendenten Zurechtweisungen muß man ihr Urteil anerkennen. Ich bin gewisser Frivolitäten schuldig, von welchen ich nicht wußte, ob sie mehr schaden oder nutzen würden, und es auch jetzt nicht weiß, doch ich weiß, daß mein Handeln frivol war. Ich rede in erster Linie von meinem Fingerzeig auf Steamboat Geyser als Ankündigung einer möglichen Deutung der fünften Schale des Zorns Gottes: Selbst wenn es eine sein sollte, ist mein Fingerzeig zu sehr von Sensationalismus angetrieben worden, und es ist auch nicht recht, sich durch jeden weiteren Ausbruch bestätigt zu fühlen, als ob man ewig in dieser Position verweilen könnte, weder voran-, noch zurückschreitend. Nun denn, ich weiß, daß ich nicht würdevoll bin, aber es kann auch keine Würdevollheit geben, wenn sich die Kirche nicht präsentiert.
Post Scriptum vom selben Tag. Daß ein säkularer Staat keine Kirche bilden kann, folgt natürlich unmittelbar aus der gegebenen Definition, aber in der Sache liegt es daran, daß durch den Glauben an Gott ein implizites Ziel für die Gemeinschaft gegeben ist, welches jederzeit neu expliziert werden kann, ohne beliebig zu werden: Der Glaube an Gott als den Schöpfer der Welt führt zu einer Sicht auf seine Schöpfung und insbesondere den Menschen, welche aktiv den gottgefälligen Umgang mit ihr und insbesondere ihnen sucht, und nur wenn eine derartige Übereinstimmung in einer Gemeinschaft besteht, kann sie in der Sache eine Kirche sein. Jeder säkulare Staat muß sich hingegen auf einen expliziten Vertrag berufen, welcher zwar auch neu verhandelbar sein kann, aber ohne implizite Garantien: Am nähesten käme er der Kirche noch dadurch, daß er sich eine Verfassung gäbe, in welcher er bestimmte (gottgefällige) Eigenschaften für obligatorisch für seine Institutionen erklärt, aber schließlich würden Rechtsanwälte diese Eigenschaften in ihr Gegenteil verkehren, selbst wenn anfänglich keine Fehler, wie etwa der vierte Verfassungszusatz der Vereinigten Staaten, gemacht wurden, welcher in seiner Favorisierung der Mafia zu allerlei verkorksten Gegenmaßnahmen wie civil asset forfeiture nötigt.
Labels: 33, formalisierung, geschichte, gesetze, institutionen, metaphysik, persönliches, rezension, wahrnehmungen, zeitgeschichte, ἰδέα, φιλοσοφία