Bereitschaftsbeitrag

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4. Januar 2023

Ethische Morgendämmerungen

Indem ethische Umnachtungen die Entfaltung monopolisieren, erzeugen sie Besessenheit, indem ausschöpfende Beherzigung darüberhinaus die von ihr ausgeleuchteten Theorien zu Dogmen erklärt, erzeugt sie zusätzlich Beklommenheit, und indem freie Verfügung über das Göttliche die eigene Verpflanzung überhöht, erzeugt sie Betretenheit.

Die Besessenheit macht sich als Niedergedrücktheit bemerkbar, welche der Lethargie entspricht, welche die Auflösung der Zuversicht erzeugt, aber sich auch aus der Konfrontation mit Fanatismus oder Nihilismus ergeben mag, die Beklommenheit als Langeweile über dem Fanatismus und die Betretenheit als Ohnmacht unter dem Nihilismus.

Wird uns aus
  • der Besessenheit geholfen, so fühlen wir uns befreit,
  • der Beklommenheit geholfen, so beflügelt, und aus
  • der Betretenheit geholfen, so belebt.
Damit wir uns aber im Angesicht ethischer Umnachtung so fühlen können, muß dieselbe auf uns lasten und nicht bloß einen üblen Nachgeschmack in unserem Mund hinterlassen. Aus diesem Grund ist es einstweilen unmöglich, daß uns eine politische Veränderung belebte, denn die freie Verfügbarkeit über das Göttliche wird einstweilen nicht offen von einer etablierten Institution beansprucht.

Ein gewisser Fanatismus läßt sich in unserer Wirtschaftsordnung schon nachweisen, und womöglich könnte eine über seine Dogmen hinausgehende Ausleuchtung schon beflügeln, aber wenn man diese beiden Bestürztheiten mit jenen vergleicht, welche Beethoven in seiner neunten und dritten Symphonie vertont hat, das nihilistisch gewordene Ständesystem, dessen Erschütterung über Belebung zu Ehrfurcht vor der und Unterwerfung unter die Brüderschaft der Menschen führte, beziehungsweise die fanatisch gewordene Theorie, von Gottes Gnaden zu regieren, deren Ersetzung durch die bürgerliche Vertretung des Gemeinwohls über Beflügelung zu Erhabenheit und Enthebung führte, so sollte man auch bei der Beklommenheit besser bescheiden sein.

Die entscheidende Bestürztheit unserer Zeit ist die Besessenheit, welche aus dem Stand unserer Technologie entspringt und zentrale Entscheidungsprozesse nährt, welche die Menschen in nie gekannte Extreme der Unwesentlichkeit stürzen. Und alles, was die Abfindung der Menschen mit ihrer Bevormundung erschüttert, wird als befreiend empfunden und muß sich auch hinter Beethovens fünfter Symphonie nicht verstecken, was den Mut der Verzweiflung und die Begegnung des Schicksals in der Auslieferung an Gott angeht.

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