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19. Mai 2023

Eine Kritik der Bismarck-Strauss-Howe Generationentheorien

Ich erwähnte die Wesensgleichheit der Bismarck'schen Generationentheorie mit jener von Strauss-Howe bereits, aber ich hatte sie bisher nicht explizit angegeben, was ich nun also zunächst einmal nachhole.
Strauss-
Howe


Bismarck
Crisis: Schafft
Einigkeit
Schafft
Vermögen:
Schafft
Vermögen
High: Knüpft an
Einigkeit an
Verwaltet
Vermögen:
Knüpft an
Vermögen an
Awakening: Hat höhere
Aspirationen
Studiert
Kunst-
geschichte:
Hat höhere
Aspirationen
Unraveling: Knüpft an
höhere Aspi-
rationen an
Verkommt:Knüpft an
höhere Aspi-
rationen an

Mit anderen Worten handelt es sich bei den Bismarck-Strauss-Howe Generationentheorien um die Behauptung der zyklischen Abfolge grundlegender und weitergehender Interessen, wobei die grundlegenden Interessen von einer bestimmten Art sind, an Vermögen interessiert bei Bismarck und an Einigkeit bei Strauss-Howe.

Offensichtlich handelt es sich dabei um konservative Theorien, welche den Menschen als fehlerhaft betrachten, weil er dazu neigt, die grundlegenden Interessen aus den Augen zu verlieren. Und wie ich jüngst bemerkte, ist der Intendant des den popkulturellen Zykel bekämpfenden Staatstheaters auch konservativ, insofern er die bestehenden Menschenführungsverhältnisse verteidigt, indem er
  • popkulturelles Hinweisen durch neue Hebel einsetzende Regenten beschwichtigt,
  • popkulturelles Probieren durch neue Zugänge schaffende Volkstribunen und
  • popkulturelles Buhlen durch alte Umstände betonende Lebensauffassungen.
Allerdings taucht da zweimal das Wort neu auf, und das erlaubt es, die tatsächlichen Verhältnisse zu verwirren, das heißt: Es ist klar, daß
  • die Betonung der Blutlust der Massen 1830 und
  • die der militärischen Bedrohung durch Diktaturen 1980
konservative Reaktionen auf höhere Aspirationen sind, aber
  • 1740 erschien Louis XV modern und
  • 1890 Wilhelm II
und
  • 1810 konnte sich Napoléon Bonaparte als sozialer Erneuerer präsentieren und
  • 1940 Adolf Hitler,
doch sind sie allesamt konservativ gewesen, wenn darunter die Verteidigung der bestehenden Menschenführungsverhältnisse verstanden wird.

Man mache sich das klar: Wo Menschenführungsverhältnisse angegriffen werden, da werden sie auch verteidigt, und angegriffen werden sie alle zwei Generationen, aber auf sich zyklisch abwechselnde Weise, und nur alle sechs Generationen muß der Verteidiger die Maske fallen lassen und sich als solcher zu erkennen geben, so daß, wenn eine Generationentheorie nur auf einen bestimmten Bereich schaut, sie dann zwar zugeben muß, daß gerade eine Verteidigung stattgefunden hat, sich aber ansonsten, aufgrund der sich abwechselnden Weise des Angriffs, leicht über das Wesen des zu einer Zeit tatsächlich grundlegenden Interesses, welches es zu verteidigen gilt, täuscht. Und wenn sie eine Generation dann mit 20, statt mit 25 Jahren ansetzt, kann sie behaupten, daß nach 150 Jahren nicht sechs Generationen vergangen sind, sondern nach 160 acht, was die Täuschung komplett macht.

Indes, wenn wir die Reihe, welche ich für den popkulturellen Zykel betrachtet habe, ohne diese Anpassung durchgehen, ergibt sich nach Strauss-Howe folgendes:
  • 1970 Hippies: Awakening (übrigens in dieser Form auch fragwürdig, da es Kommunen nicht um Individualismus geht),
  • 1920 Jugendbünde: Crisis (neue Einigkeit im Kampf gegen Versailles),
  • 1870 Systemtheorie: Awakening (der Sozialisten),
  • 1820 Vormärz: Crisis (neue Einigkeit im Kampf gegen den welschen Tand, ömm, Napoléonischen Aufruhr),
  • 1770 Freimaurerei: Awakening (der Freimaurer),
  • 1720 Aufklärung: Crisis (neue Einigkeit durch ein neues Menschenbild),
und das ist doch arg beliebig, um nicht zu sagen, daß neue Einigkeit und Auflösung der alten nicht von einander zu unterscheiden sind.

Nun ja, man könnte meine Theorie des popkulturellen Zykels auf ähnliche Weise kritisieren, aber mir geht es bei derselben nicht um die Brandmarkung einer bestimmten Zeit als gut oder böse, sondern um die Weise, auf welche sich die gesellschaftliche Bildung vollzieht, wie neue Haltungen, Vorhaben und Erfahrungen unter den Bedingungen der Herrschaft der Unvernunft in die Gesellschaft einziehen, und auch wenn mir keiner zuhört, muß ich meine Mitbürger, welche die wohlfeilen Erklärungen des Antimainstreamsmainstreams einfach nachplappern und nur daran interessiert sind, ob man es auch tut, doch warnen, daß sie so nicht zum Licht, sondern hinter es geführt werden.

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