Bereitschaftsbeitrag

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19. Oktober 2008

Von den grundsätzlichen Seinslagen allen Seiendens

Wie wir gleich sehen werden, hängen Gefühle eng mit Seinslagen zusammen, weshalb ich sie hier daran aufhänge.

Jedes Lebewesen ist seiner Umwelt ausgeliefert und dies führt dazu, daß es in einer Spannung zwischen der Behauptung seiner Eigenart und seinem Überleben steht. Ist es auf alle Eventualitäten eingestellt, wie beispielsweise die Kiefer, so fällt es ihm schwerer eine sich zufällig bietende Chance beherzt zu ergreifen, denn beides geht nicht, Vorsicht und Draufgängertum.

Interessanterweise ist aber beides gewollt. Der Wille offenbart sich hier ganz ungeniert als maßlos und in sich widersprüchlich, das Leben gerade durch die Beschwerlichkeit seiner Vereinbarkeit mit sich selbst vorantreibend.

Dieser Gegensatz drückt sich also gefühlsmäßig durch Berücksichtigung und Unternehmung aus. Desweiteren sind wir natürlich auch von unserer Umwelt abhängig, was sich durch Faulheit und Ehrgeiz ausdrückt, je nachdem, ob wir in Armut oder Fülle leben, echter Armut und Fülle, nicht das, was die Menschen dafür halten. Die beiden zugehörigen Seinslagen möchte ich als Komplexität und Intensität unserer Existenz bezeichnen.

Dressur besteht, wie bereits angedeutet, in einer gezielten Erhöhung der Komplexität der Seinslage eines Tieres oder Menschen, also einem Übergewicht an Berücksichtigung gegenüber der Unternehmung, wobei die Berücksichtigung nichts anderes ist, als sich ein voriges Gefallen oder Mißfallen in Erinnerung zu rufen.

Als Antwort auf unserer Ausgeliefertheit und Abhängigkeit hat sich unsere Gewohnheit entwickelt. Sie ist ein Beispiel der Angepaßtheit eines Seienden, und da jedes Seiende aus der Intensität seiner Seinslage das Maximale für die Bewältigung der Komplexität derselben herausholen muß, hat sich auch jedes Seiende angepaßt, womit Angepaßtheit also auch eine grundsätzliche Seinslage ist.

Die Gefühle nun ordnen sich diesen drei Seinslagen unter, geben unseren Zustand bezüglich ihrer wieder. Schwäche, Lustlosigkeit, Beklommenheit sind alle Anzeigen mangelnder Intensität unseres Lebens. Schwindel, Entsetzen, Trauer alle Anzeigen fehlerhafter Anpassung. Und Anspannung, Erschrecken, Sorge Anzeigen hoher Komplexität. Offenbar gehört die Angst ebenfalls zur Anpassung, mangelnder Anpassung genauer gesagt, welche nicht identisch mit fehlerhafter ist. (Man mache sich klar, daß die Angst vor dem Tode nichts anderes als die Angst vor einer Unterlassung ist, nicht vorbereitet zu sein, wenn es soweit ist und so auch mit jeder anderen Angst. Vor dem schlichtweg Unausweichlichen gibt es keine Angst. Endete morgen die Welt, wen störte das schon?) Diesen Dreiklängen liegt übrigens das zuvor verworfene Prinzip der Sonderstellung des Menschen durch die Vernunft zu Grunde, nur, in dieser Form läßt es sich schon retten.

Und noch ein Gefühl muß hier besprochen werden, um wenigstens im Negativen einigermaßen vollständig zu sein, nämlich der Schmerz. Schmerz ist einem indianischen Sprichwort nach eine Meinung, und so ganz falsch ist das nicht, in sofern er nichts weiter als ein (sehr eindringliches) Mißfallen ist. Er gehört damit zur Komplexität unseres Lebens, wir müssen berücksichtigen, daß wir ein schadhaftes Glied nicht verwenden können, ohne seine Heilung zu gefährden. Es ist übrigens so mit dem Schmerz, daß er sich wenigstens für eine Weile auflöst, wenn man sich schlicht danach fragt, was genau man eigentlich fühlt, denn sobald die Aufmerksamkeit auf das sinnlich spürbare gelenkt wird, verlassen wir den geistigen Zustand, in dem wir uns unseren Schmerz erzeugen. Anzuraten ist das aber nicht, denn die Vorsicht, welche unserem Schmerz entspringt, ist in der Tat unser bester Freund.

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