Bereitschaftsbeitrag

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2. Februar 2009

Kulturelle Überforderung

Kulturen basieren auf kulturtragenden Selbstverpflichtungen, welchen die Vorstellung des durch sie ermöglichten gemeinschaftlichen Gutes innewohnt.

Ein Mensch nun mag sich zwar verpflichten, aber seine Verpflichtung als etwas rein passives ansehen, als bloßes Zugeständnis. Diese sind jene Menschen, welche die Gemeinschaft tragen, welche die nötige Arbeit erledigen. Sie suchen das Gute in der Welt, im festen Glauben daran, daß sie an ihr nichts ändern können. Der Gedanke selbst für ihr Umfeld Verantwortung zu tragen ist ihnen nie gekommen, obschon sie es natürlich zu einem gewissen Maße wie jeder tun. Insbesondere interessieren sie sich nicht für die Kultur, in welcher sie leben. Sie ist da, ein Rahmen, welcher akzeptiert wird und für dessen Annehmlichkeiten sie dankbar und bereit sind, ihn zu verteidigen, aber dieser Rahmen ist ein totes, entrücktes Ding.

Folgendes ist hier zu bemerken. Nicht jeder, welcher ein solches Leben führt, ist dazu gezwungen. Allerdings gibt es Umstände, welche jemanden zu einem solchen Leben zwingen, und wenn das der Fall ist, nimmt es wenig Wunder, daß der Betroffene sich unsicher in einer Gesellschaft fühlt, in welcher sich andere dieses entrückten Dinges annehmen und es verändern. Genauer gesagt gibt es einen Umstand, und zwar den Mangel an ausreichendem Verständnis der Funktionsmechanismen der Kultur, also nicht zu wissen, wieso etwas funktioniert. Natürlich weiß das zunächst niemand, was jene also kennzeichnet, ist ihre Kapitulation vor diesem Umstand, welche sie dann in der Tat dazu zwingt, ihr Leben auf die beschriebene Weise zu leben. Weil sie aber mißtrauisch gegenüber jenen sind, welche ihre Arbeitsweise nicht nur verstehen, sondern sie auch noch für angedachte Alternativen heranziehen, neigen sie dazu sich zusammenzuschließen und ihre politischen Interessen als Mob durchzusetzen.

Dies ist eine Art der kulturellen Überforderung, nämlich jene, welche den Zugang zu ihren Grundgedanken betrifft. In anderen macht sich eine Unfähigkeit zur Inbeziehungsetzung dieser Grundgedanken zu einander bemerkbar, und zwar als Mißtrauen gegenüber jenen, welche inbeziehungsetzend die Kultur weiterentwickeln und verfeinern, genauer gesagt als ein Beharren auf gewissen Grundgedanken oder Bildern, welche ihnen heilig sind. Zum Zwecke dieser Verteidigung bilden sie nun aber keinen Mob, sondern, ihrem Verständnis gemäß, einen sachbezogenen Bund. Was gemeinhin disziplinlos heißt, ist durchaus ein Spezialfall hiervon, wenn man nur Egoismus als eine Form des Heiligseins von etwas anerkennt.

Die dritte Art der Überforderung besteht schließlich darin, daß einem der Zugang zu den Quellen der kulturellen Grundgedanken verwehrt ist, daß sie sich nicht ergründen und dadurch ausschöpfen lassen. Wem dieses nicht möglich ist, der entwickelt eine gewisse Mißgunst jenen gegenüber, welche es können und sucht ihre Wirkung durch strikte Kodifizierung der Kultur zu unterbinden. Eine vollständig kodifizierte Kultur ist aber stets bereits zu einem Gebilde erstarrt, in welchem die auf einander gerichteten Wirkungen ihrer Mitglieder einem motivationsauslöschenden Prozeß unterworfen sind - letztlich, da sich Feindschaft nicht um ihrer selbst Willen bejahen läßt und die Quelle zum aktiven Frieden weggeschlossen wurde.

Gemein ist allen Überforderten, daß sie sich gegen ihre vermeintlichen Feinde recht rauh zur Wehr setzen. Und wenn eine heutige Kultur auch aus etwas einfacherem herangewachsen ist und somit Einfacheres beinhaltet, so ist es doch der unterschwellige Wunsch eines jeden Überforderten, sie auf das zurechtzustutzen, was er überschauen kann. Dieser Wunsch ist tödlich, und es gilt ihn zu besiegen, auf welche Weise auch immer, womit ich nicht gesagt haben will, daß es keinen Unterschied machte wie.

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