Bereitschaftsbeitrag

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22. Februar 2009

Übung in den Tugenden

Es gibt keinen anderen Weg, auf dem eine Gesellschaft gesund werden kann, als den der Übung in den Tugenden.

Beide Teile dieser Aussage lassen sich bezweifeln, sowohl daß die Tugenden zur Blüte einer Gesellschaft nötig sind, als auch daß sich Tugend nur durch Übung verbreiten kann.

Wenn ich Tugenden sage, meine ich konkret ja Disziplin und intellektuelle und emotionale Unabhängigkeit, wobei letztere gemäß meiner vorangegangenen Richtigstellung als das Vermögen zur Ergründung dessen, womit einer im Einklang ist, definiert ist, m.a.W. als Urteilsfähigkeit im Moralischen, was nicht als Rechtsbewußtsein trivialisiert werden sollte, da ein großer Unterschied dazwischen besteht, eine konkrete Handlung zu beurteilen oder eine gesellschaftliche Ordnung, worin jede vollständige moralische Betrachtung ja mündet.

Daß also diese Tugenden nötig seien, läßt sich gewiß bezweifeln. Ich habe mich aber schon dazu geäußert, was die Folgen ihres Fehlens sind und glücklicherweise muß ich mich diesbezüglich nicht korrigieren.

Daß diese Tugenden sich ohne Übung verbreiten könnten, ließe sich gewiß auch verfechten, am einfachsten gewiß durch den Hinweis auf die Wirkung von Vorbildern. Nun, solange man diesbezüglich keine besonderen Techniken anwendet, um die Wirkung von Vorbildern zu erhöhen, ist dieser Effekt ja stets gegeben, und damit sich etwas zum besseren wenden kann, muß also etwas anderes, wie z.B. Übung, hinzukommen. Freilich, es lassen sich Methoden zur Erhöhung der Wirksamkeit der Vorbilder anwenden, allerdings nicht, ohne in das Leben der Vorbilder störend einzugreifen oder, falls es sich bei den Vorbildern um reine Kunstgebilde handelt, ohne gerade jene von ihrer Wirkung auszuschließen, auf welche es vor allen anderen ankäme, welche also wieder üben müßten, womit sie dann aber auch natürliche Vorbilder abgäben. Daß Beten in dieser Angelegenheit hilft, habe ich ja bereits zuvor aus dem Grunde ausgeschlossen, daß Stärke immer schon gerecht verteilt ist, für eine etwas genauere Betrachtung verweise ich auf jenen Beitrag zur Transzendenz.

Bleibt also die Übung. Ich denke, daß die emotionale Unabhängigkeit als erste vollständig geübt werden muß. Mir scheinen zu diesem Zweck Aufgaben geeignet, in denen ein Kind über die Auswirkungen der Regeln eines Spieles nachdenken muß, zunächst einfach darüber, ob sie fair sind, später dann, was diese Regeln fördern und wozu diese Förderung führt.

Die intellektuelle Unabhängigkeit kann auch schon im Kindesalter vorbereitet werden, mehr allerdings nicht. Am geeignetsten ist es zu diesem Zweck wohl den Kindern Geschichten zu erzählen die mal wahr sind und mal nicht und zu sehen, ob die Kinder sie als solche erkennen.

Zur Übung der Disziplin muß ich sicherlich am wenigsten sagen, es geht darum sein niederes Wollen in den Griff zu kriegen, durch es weder verleitet noch frustriert zu werden. Nun, um das zu erreichen, muß man selbstverständlich das höhere Wollen stärken, das will ich dann doch für die ganz Doofen gesagt haben.

Am schwierigsten, und spätesten ihren Platz findend, ist aber die ernsthafte Übung der intellektuellen Unabhängigkeit. Um zu wissen, was ein gültiger Gedanke ist, muß man sein eigenes Denken verstehen. Ab einem gewissen Punkt versteht man freilich genug, um sein Verständnis selbständig zu vervollständigen, aber dieser Punkt wird üblicherweise erst nach einem halben Dutzend Jahren der Übung erreicht. Mathematik ist zu diesem Zwecke förderlich, und ich hoffe, daß ich ihm mit dem, was ich hier beitrage, ebenfalls dienen kann, bzw. können werde, wenn dies alles ordentlich revidiert ist.

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