Bereitschaftsbeitrag

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24. September 2010

Vom Unsinn des Universalismusses

Oftmals ist die Hälfte mehr als das Ganze.

griechisches Sprichwort

Ich schrieb bereits, daß ich mir nicht wünsche, daß Gemeinschaften mit einander im Geiste dieses Sprichwortes umgehen, was uns unsere technische, und insbesondere unsere militärische Entwicklung auch verbieten sollte. Von der Art der Vereinbarungen, welche dieses sicherstellen sollten, schrieb ich ebenfalls da. Hier möchte ich noch einmal auf einfache Weise begründen, warum eine Ideologie nicht nach Universalität streben kann, ohne sich selbst, je näher sie diesem Ziel kommt, zunehmend auszulöschen.

Wir alle haben die transzendente Pflicht auf etwas zu vertrauen, genauer gesagt auf andere Menschen zu vertrauen. Ein Leben ohne daß man auf irgendwelche anderen Menschen vertraut ist schlicht nicht möglich, es führt mit Sicherheit in eine Sackgasse.

In gewisser Weise handelt die Offenbarung des Johannes gerade von diesem Punkt, daß, wenn einer nur noch auf Gott vertrauen könnte, dann der jüngste Tag gekommen wäre. Und dies ist durchaus eine reale Möglichkeit, denn eine solche Menschheit würde von der Erde getilgt werden wie sich der Magen giftiger Speisen durch übergeben entledigt. Sie hätte keine transzendente Funktion und würde entsprechend im transzendenten Gleichgewicht nicht berücksichtigt werden.

Man vertraut aber nicht aus Einsicht. Man vertraut blind und Einsicht bedeutet stets, daß man den Unsinn darin erkennt, jemandem oder etwas zu vertrauen, mit dieser einen Ausnahme, daß die Einsicht auch lehrt, daß es eine transzendente Pflicht ist, überhaupt zu vertrauen. Aufgrund dessen mag es auch dazu kommen, daß einer vertraut, obwohl er weiß, daß es unsinnig ist. Aber natürlich wird er im Zweifelsfall lieber auf jemanden oder etwas vertrauen, von dem ihm das noch nicht klar ist oder, um diesen Gegenstand aus dem ihm gebührenden Blickwinkel zu betrachten, er wird es vorziehen, weniger Hoffnungen zu begraben als mehr.

Die tierische Natur des Menschen ist dem Menschlichen in allen ihren Ausformungen stets zuwider, und für gewöhnlich verachtet schon ein Kind seine Mitmenschen aus diesem Grund. Der sengende Blick des Menschlichen erhält aber auch nur die Menschen als Menschen, denn leicht wäre es ohne ihn für einen Menschen zum Tier zu werden, und wie oft sieht man Menschen, welche Tiere um ihre Natur beneiden? Der Abstieg zum Tier ist hier aber nicht das Thema, sondern wie der Mensch er selbst bleibt. Und dazu muß er einen Sinn in seinem Leben erkennen und diesem folgen, denn das ist das Menschliche. Und zugleich muß er darauf vertrauen, daß er nicht der einzige ist, welcher sich für diesen Sinn entschieden hat, denn das ist transzendentes Gesetz. Dies ist aber ein Teufelskreis, je weniger Menschen einen Sinn erkennen, desto unmenschlicher sind die Menschen, und je unmenschlicher die Menschen sind, desto weniger Menschen können auf sie vertrauen und an ihrem Sinn festhalten. Oder anders ausgedrückt ist die seelische Gesundheit eine hochgradig dynamische Variable.

Die voranstehende Betrachtung ist wichtig, um die Schwierigkeit der Sinnstiftung realistisch einzuschätzen, um zu erkennen, daß wir stets in einem Meer von Widrigkeiten schwimmen, welche jederzeit, wenn wir nicht auf uns achtgeben, unser Vertrauen ersticken und uns verwahrlosen lassen können.

Und weil das so ist, deshalb ist die Hälfte oft mehr als das Ganze, deshalb erwächst mehr Leben aus einer an sich glaubenden Hälfte als aus einem Ganzen, dessen eigene Unzulänglichkeiten ihm nur zu gut bekannt sind. Niemand würde es wagen, im Wirtschaftsleben einen anderen Kurs einzuschlagen, und zu Recht!, aber genauso wenig, wie man an die Effizienz eines universalistisch zusammengestellten Unternehmens glauben könnte, wenn es denn eines gäbe, genauso wenig kann man an die Effizienz einer universalistischen Bewegung zur Gestaltung der Zukunft der Menschheit glauben, und genau aus denselben Gründen.

Nur wenn aus dem Meer der Widrigkeiten das Brauchbarste herausgefischt wird, nur dann funktioniert das Leben. Und das betrifft insbesondere die Überzeugungen der Menschen. Was soll man von einem Zusammenschluß erwarten, dessen gemeinsame Überzeugungen nicht über das formal Rechtliche hinausgehen? Als Orden, als gestaltende Kraft taugt er nichts. Er überläßt vielmehr die Gestaltung den notwendigerweise niedriger motivierten Entscheidungen der Einzelnen und ergibt sich deren kumulativen Folgen.

Ein kleines Beispiel zum Abschluß, um das vorangegangene Prinzip in einem überschaubaren Rahmen zu illustrieren. Das bunte Miteindander der Kinderbücher heutzutage ist lauwarmer Kakao ohne den geringsten emotionalen Widerhall. Es stärkt den Idealismus der Kinder nicht, und damit meine ich nicht irgendeinen bestimmten Idealismus, sondern die allgemein idealistische Neigung, welche erst später zu einem geformten Idealismus heranwächst, oder anders ausgedrückt befeuert es nicht das Menschliche, tut also seinen Teil dazu, daß es allgemein erlahmt. Die Befangenheit ist erklärlich, aber man kann die Sprache, in welcher man zu Kindern sprechen kann, nunmal nicht ändern. Was später davon bleibt ist eh nur ein wehmütiges Gefühl, eine Erinnerung, welche einem zwar das Herz wärmt, zu welcher man aber dennoch nicht zurück will. Und ein gefestigteres Menschsein, das ergibt sich auch daraus.

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