Bereitschaftsbeitrag

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30. Oktober 2012

Der materialistische Mensch (1919 - 2012)

Wenn ich hier von Materialisten schreibe, sind damit nicht die Ringenden gemeint, welche ich im folgenden auch nur mehr als Ringende bezeichnen werde. Ein Ringender findet in seiner Lust Erfüllung, und oftmals, aber nicht immer, sind dies materielle Genüsse. Ein Materialist hingegen besitzt eine bestimmte Haltung der Welt gegenüber, Materialismus ist eine Zugangsweise zu ihr, nämlich sie als etwas zu beherrschendes zu betrachten. Ringende können Materialisten sein, aber sie müssen es nicht, und ironischerweise sind sie es wohl auch seltener als andere, da ihre Anteilnahme für gewöhnlich nur ihrer unmittelbaren Umgebung gilt.

Der Leser möge an dieser Stelle der Versuchung widerstehen, auch noch den Hedonismus mit ins Spiel zu bringen. Jener ist ein Drittes, welches mit der gegenwärtigen Betrachtung nichts zu tun hat.

Dem Materialismus entgegengesetzt sind der Kontemplatismus, welcher die Welt als etwas anzuschauendes auffäßt, und der Harmonismus, welcher die Welt als etwas auffäßt, mit welchem man sich verständigen muß. Kontemplatismus ist eine Erscheinung des Überdrusses an der Welt und eine Regression ins Kindheitsstadium, wie sie typischerweise in geistig alten Kulturen auftritt, Harmonismus die Zugangsweise junger Kulturen zur Welt und Materialismus, wie es scheint, die Zugangsweise Herangereifter zu ihr.

Das Problem mit dem materialistischen Menschen heute, welcher sich dadurch auszeichnet, daß er nicht mehr nur die Natur zu beherrschen trachtet, sondern auch die Gesellschaft, eine natürliche Weiterentwicklung des technizistischen Denkens des nationalistischen Menschen, welche indes wohl erst durch die Schrecken des Ersten Weltkriegs die nötige Überzeugungskraft gewann, ist, daß seinem Bestreben keine natürlichen Grenzen mehr gesteckt sind, wodurch er gerade die natürlichen Grenzen seiner eigenen Rolle hinter sich läßt.

Vielleicht passiert es dennoch nicht zum ersten Mal. Vielleicht schien die Lage auch schon früher, trotz weniger weit vorangeschrittener technischer Entwicklung, aussichtslos.

Wenn man aus großer Höhe hinabblickt, kann einem schonmal schwindlig werden. Das heißt aber nicht unbedingt, daß man steht, wo man nicht stehen sollte. Wir werden sehen, wie es läuft, Sinnfragen wird man auf später verschieben müssen. Der materialistische Mensch der Gegenwart muß durch den harmonistischen Menschen der Zukunft ersetzt werden, welcher die Welt nicht beherrscht, sondern bewohnt, auf die natürlichen Gegengewichte vertraut und im Zweifelsfalle Gott das letzte Wort läßt.

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