Bereitschaftsbeitrag

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5. Mai 2014

Besinnung und Verneinung

Wohlan ich will es dir sagen, welche Wege der Forschung allein denkbar sind. Du aber höre mein Wort und bewahr es wohl! Der eine ›zeigt‹, daß das Seiende ist und daß es unmöglich ist, daß es nicht ist. Das ist der Pfad der Überzeugung; folgt er doch der Wahrheit. Der andere aber ›behauptet‹, daß es nicht ist und daß es dieses Nichtsein notwendig geben müsse. Dieser Weg ist – das sage ich dir – völlig unerforschlich. Denn das Nichtseiende kannst du weder erkennen noch aussprechen.
›Mein‹ Scharfsinn ist erstaunlich. Ich behaupte mal frech, daß wirklich niemand außer ›mir‹ versteht, was Parmenides hier gemeint hat.

Der zweite Teil der Rede bezieht sich auf den Widerspruchsbeweis. Man stellt eine absurde Behauptung auf und zeigt, daß diese Absurdität notwendig nicht sein kann, weil sie mit dem Seienden im Widerspruch steht.

Schon das verstehen Viele falsch, aber es läßt sich andererseits ja doch recht leicht verstehen, wenn man nicht zu sehr an den Worten klebt.

Was hingegen wirklich schwer zu verstehen ist, ist Parmenides' Kritik am Widerspruchsbeweis.

Parmenides behauptet, daß auch der Widerspruchsbeweis auf etwas Seiendem beruhen müsse, da er ansonsten völlig unverständlich wäre.

Seine Kritik ist also eine formale, sie besagt in etwa: Diese sind zu faul, das Seiende zu erfassen, von welchem sie reden.

Genau das ist mein Thema hier. Viel habe ich gar nicht darüber zu sagen, aber die Gelegenheit, an mein Vorbild anzuknüpfen, wollte ich mir nicht entgehen lassen.

Die Wahrheit ist, daß wir niemals einsehen, daß ein Gegenstand nicht auf eine bestimmte Weise erscheint, sondern immer nur, daß er auf eine bestimmte Weise erscheint.

Platon hat Parmenides im Sophistes also auch nicht verstanden. Es geht gar nicht um die Frage des absoluten versus relativen Gebrauchs des Wortes ist, sondern darum, daß, wer zum Beispiel sagt:
Der Theaitetos, mit dem ich jetzt rede, fliegt nicht.
streng genommen eine Behauptung aufstellt, von welcher er lediglich erwartet, daß sie wahr ist, und zwar, weil es ihm unmöglich ist, sich den sitzenden Theaitetos als fliegend zu vergegenwärtigen.

Wie ich in den vorigen Beiträgen schrieb, fixieren wir geschachtelte Bündelungen von Eindrücken gewisser Art. Fixieren diese Einsichten, so nennen wir sie Aussagen, fixieren diese Einsichten unvollständig, so handelt es sich um Auszeichnungen oder Anzuordnende, alles wie gehabt.

Auf derartige Fixierungen können wir uns nun besinnen, und wenn diese Besinnung gelingt, so gelangen wir zu einer bestätigenden Einsicht einer der folgenden Arten:
  • die Aussage ist wahr
  • es gibt etwas der Auszeichnung entsprechendes
  • die Anzuordnenden lassen sich anordnen.
Formal tun wir das, indem wir die Fixierung a vergegenwärtigen:
  •  ο(a).
Oder aber, die Besinnung gelingt nicht. Dieser Fehlschlag ist uns als solcher bewußt, nicht als ein Nichtsein, sondern als das Sein von Gegenwärtigkeit (in welcher wir wiederum die Gedankenlosigkeit vermuten) und Frustration.

Wir sagen dann, es hat uns aus unseren Gedanken gerissen, oder daß wir desorientiert wurden, beides wieder nach einer kurzen Analyse.
Der Theaitetos, mit dem ich jetzt rede, fliegt!
Nein, nein, der ist ja eingebildet!
Der, den ich sehe!
Häh?
Nicht immer, wenn uns eine Besinnung mißlingt, wo ist der Autoschlüssel?, werden wir sagen, daß
  • die Aussage falsch ist
  • es nichts der Auszeichnung entsprechendes gibt
  • die Anzuordnenden sich nicht anordnen lassen,
sondern oftmals verschieben wir unsere diesbezügliche Erwartungsanpassung, aber irgendwo muß er doch sein!, bis wir schließlich hinreichend von ihrer Notwendigkeit überzeugt wurden, tja, der ist weg, da kann man nichts machen.

Freilich, wenn die Besinnung in hinreichendem Umfang mißlingt, so erwarten wir genau das auch weiterhin, und auf diese Weise können wir dann auch erwarten, daß etwas nicht auf eine bestimmte Weise erscheint, da nämlich, wo es gewahrt wird, seine Vergegenwärtigung, als auf die nämliche Weise erscheinend, mißlingt.

Wir stützen uns dabei auf die Reflexion unseres Handelns, in welcher das Nichterscheinen auf die beschriebene Weise auf ein Erscheinen zurückgeführt wird.

Der Vollständigkeit halber ist diese Reflexion als solche zu formalisieren, aber natürlich können wir für negative Fixierungen im Sinne der Unvergegenwärtigbarkeit einer Fixierung a eine Kurzschreibweise verwenden, etwa wie bisher
  • >a<.

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