Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

11. August 2021

Angerichtet wie bestellt.

Die übergeordnete Sicht, von welcher ich im Beitrag Fünf Sichten auf politisches Geschehen sprach, gilt für gewöhnlich der Interessenebene und die protagonistische Sicht und jene der Rivalen der Einsatzebene.

Es ist für Menschen des gläubigen geistigen Horizonts klar, daß die Interessen der Sorge schwerer wiegen als jene der Achtung und diese wiederum schwerer als jene der Lust, unabhängig davon, welchen Geist sie besitzen, wiewohl Fordernde ihrem Geist dadurch treu bleiben, daß sie sich hauptsächlich mit der Frage beschäftigen, wie die Sorge die Achtung mit Leben erfüllen kann, und Erregte entsprechend, wie sie die Lust mit Leben erfüllen kann.

Letzteres ist meistens verfänglich, weil es die Achtung übergeht, weshalb ich von Überbegnadetheit spreche. Aber Menschen des gläubigen geistigen Horizonts sind selten, und erregte noch seltener als gestimmte oder fordernde. Und für die übrigen Menschen ist es eben nicht klar, daß die Interessen der Sorge am schwersten wiegen, weshalb sie anderen Regeln folgen:
  • Das Hemd ist mir näher als der Rock.
  • Sich regen bringt Segen.
  • Wer nichts wagt, der nichts gewinnt.
  • Ein jeder ist seines Glückes Schmied.
  • und, ohne es allerdings zu wissen, Was ich selber denk' und tu', das trau' ich auch den andern zu.
  • aber auch Eine Krähe hackt der andern kein Auge aus.
Platon hat letzteres am Beispiel des Vorschlags, Verbrecher zu Richtern zu machen, durchexerziert: Verbrecher sind die besten Richter, weil sie Verbrecher am ehesten erkennen! Nein, sind sie nicht, denn sie glauben Menschen nicht, welche keine Verbrecher sind - und außerdem besteht die Gefahr, daß sie sich bestechen lassen.

Jeder hat seine eigenen Vorstellungen davon, was erlaubt ist, denn so lange die Regeln nur für jeden dieselben sind, können sie als gerecht gelten. Und jene, welche sich über dieses Niveau erheben, kommen in der Regel doch nicht über Viehbestandserwägungen also das Bruttosozialprodukt, hinaus, auch wenn sie mit Aussagen über die glückspendende Natur des Wohlstands geschmückt werden.

Unsere Zeit besteht größtenteils aus verhärteten Sündern. Und weil das so ist, sind mir alle Reformbemühungen suspekt, also weil die Reformer mit großer Wahrscheinlichkeit selbst verhärtete Sünder sind. Allerdings gilt dies nicht im gleichen Maße für die Interessen- und die Einsatzebene. Auf der Einsatzebene traue ich verhärteten Sündern durchaus wirksame Reformen zu, nur daß sie andere verhärtete Sünder damit gegen sich aufbringen und sich also behaupten müssen. Wenn sie dabei auch auf der Interessenebene das eine oder andere ins Lot bringen, so ist es ein sehr erfolgreicher Einsatz, aber das bedeutet nicht, daß sich an der Gesamtlage auf der Interessenebene irgendetwas geändert hätte, und diese Gesamtlage lastet auf der Einsatzebene und führt zu ständig neuen Mißständen.

Offensichtlich ist es ein leichtes, ein Mehrparteiensystem durch die Bürger drückende Probleme, welche Signaturanliegen der einzelnen Parteien sind, je ein Problem für eine Partei, in eine vorbestimmte Richtung zu lenken, so daß den Parteien anderweitige politische Maßnahmen nahegelegt werden können, deren Annahme darüber entscheidet, auf welche Partei das Votum der Bürger entfällt, auch wenn dieser Zusammenhang denselben verborgen bleibt.

So lange es Parteien gibt, gibt es keine Demokratie, nur Dramatisierung, wiewohl es vertretbar ist, Dramatisierung wie Platon als Entscheidungsfindungsprozeß der Demokratie zu sehen - aber diese Sicht ist inhärent volksverachtend.
Je passiver, dümmer und abhängiger der Kunde, desto glücklicher der Händler, vorausgesetzt, daß sich ersterer die Ware trotzdem noch leisten kann.
Das ist das Interesse des Handels und der Schlüssel zu den gegenwärtigen Zuständen: Das unmittelbare Ziel der Politik besteht in der Verkrüppelung der Bürger, und das inhärente mittelbare Korrektiv dessen ist Verarmung. Daß dies nicht der klügste Pfad ist, welchen eine Gesellschaft einschlagen kann, muß irgendwann selbst dem Dümmsten klar werden, und entsprechend ist es zu zaghaften Reformbemühungen auf der Einsatzebene gekommen. Gleichzeitig wurde auf der Interessenebene ein Problembewußtsein geschaffen, welches aber nicht zu der Einsicht vorgedrungen ist, daß die Verschmähung der Sorge ein schlechter Ratgeber ist, sondern zum einen Teil aus einsatzreformstützenden Stereotypen besteht und zum anderen aus Institutionsentfremdung. Letzteres ist durchaus zu begrüßen, auch wenn, oder auch gerade weil es den Zorn der betroffenen Institutionen auf sich zieht. Die Stereotypen hingegen, wiewohl vernünftig und bewährt, haben doch nur den Zweck, eine tatsächliche Reform auf der Interessenebene zu vermeiden. Was also ist passiert?

Die Institutionen haben auf der Einsatzebene zurückgeschlagen, weite Teile der Bevölkerung haben jedwedes Reformansinnen auf der Interessenebene verspottet, die Institutionen haben es dämonisiert, und dieses Gebräu aus Verspottung und Dämonisierung sitzt jetzt in Whirlpools und macht sie zu Cesspools. Das sehe ich soweit durchaus entspannt: Jeder, der auch nur einen Funken Gottesfurcht im Leib hat, wird wie Eric Clapton Scham in einem solchen Kreis empfinden. Nur daß nun Leute, welche sich keine eigene Sauna leisten können, der Krätze zum Fraß vorgeworfen werden, kann ich nicht entspannt sehen.

Dennoch, ich halte mich zurück und meine Klappe geschlossen, auch als Trump anfing, sich für die Idee zu begeistern, mit politischen Ausschreitungen Wahlkampf zu betreiben, offensichtlich auf die sterilsten Stereotypen von Law & Order zielend. Erst als es schon zu spät war, wies ich auf den Fehler hin. Und auch jetzt verhalte ich mich so. Ja, ich weiß, Ihr seht es anders! Ihr kocht Euer Süppchen. Und was alles zu Euren Gunsten spricht! Daß Ihr das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet! Nur, Ihr badet das Kind nicht. Wenn Ihr im Dreck steht, weil Euch das Kind beschmutzt hat, nicht eher, sage ich Euch, was ich von Euch diesbezüglich halte. Es ist meine Art, mich vor ungeeigneten Anführern zu schützen. Das Einzige, was ein Fremder tun kann.

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