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7. August 2021

Zum Wartenwechsel der auf eine Weise Bestimmten im Verlauf des Glaubenszykels

Den fünf Sichten auf politisches Geschehen aus dem vorigen Beitrag entsprechen fünf Warten, nämlich die übergeordnete, die protagonistische, die buhlerische und die untergeordneten, also die kritische und die unkritische. Und in jeder Phase des Glaubenszykels, der dogmatischen, der gemeinschaftlichen und der persönlichen, werden das Leben jener, welche eine bestimmte Warte einnehmen auf eine zugehörige Weise bestimmt.

Doch bevor ich die entsprechenden Zuordnungen angebe, möchte ich zunächst ein paar Worte zur Klärung der beiden betroffenen Fünffaltigkeiten sagen. Übergeordnet bedeutet, menschlichen Gesetzen übergeordnet, und untergeordnet entsprechend, menschlichen Gesetzen untergeordnet. Mit anderen Worten bezieht sich übergeordnet also auf die Naturgesetze einschließlich der geistigen, der charakterlichen, der erkenntnistheoretischen und der metaphysischen. Protagonisten und Rivalen (oder auch Buhlen, heutzutage Opposition genannt, ein Begriff, welcher im Falle sich befehdender Adelsgeschlechter aber unpassend ist) beschäftigen sich mit der Gestaltung menschlicher Gesetze. Ich werde im folgenden mehrfach von einem erkenntnistheoretischen Gesetz Gebrauch machen, nämlich diesem:
Ein Mensch, welcher die Gestaltung von etwas bestimmt, ist unfähig, das Gesetz zu erkennen, nach welchem er sie bestimmt.
Der Grund dafür besteht darin, daß er nicht wissen kann, für welche Alternative er sich entscheiden wird, bevor er sie erwogen hat. Es ist also zum Beispiel unmöglich, daß ein Protagonist sein eigenes Wirken übergeordnet betrachten kann, aber nicht nur ihm begegnet diese Einschränkung. Natürlich ist dies ein allgemein bekannter Sachverhalt: Man sollte auf seine Freunde hören, da diese das eigene Verhalten besser vorhersagen können als man selbst.

Und was die Fünffaltigkeit der Bestimmtheit angeht: Wer durch die öffentliche Haltung bestimmt wird, heiße hier Etablierend. Die beiden Arten der durch die Einrichtung Bestimmten mögen Zentrale und Periphere heißen, und wenn Zentrale eine Gruppe bilden, so möge diese Gruppe auch Zentrale heißen, und entsprechend eine Gruppe von Peripheren Peripherie. Die beiden Arten der durch die Lage Bestimmten heißen schließlich Analysten und Arbeiter.

Betrachten wir also die Zuordnung der Bestimmtheit zu den Warten.

Dogmatische Phase
  • übergeordnete Etablierung: Prinzipienfindung*,
  • protagonistische Zentrale: Bemächtigung,
  • buhlerische Peripherie,
  • kritische Analyse: Gnade der menschlichen Gesetze,
  • unkritische Arbeit.
* Prinzipien hier statt Glauben, gemeint ist der Kernglaube, der persönlich und sozial entwickelte Glaube ist ein Nebenglaube.

Gemeinschaftliche Phase
  • übergeordnete Zentrale: Machtzuteilung,
  • protagonistische Peripherie,
  • buhlerische Etablierung: Verfassungsfindung*,
  • kritische Analyse: Gnade der menschlichen Gesetze,
  • unkritische Arbeit.
* Verfassung im Sinne einer gesellschaftlichen Verfassungsgebung.

Persönliche Phase
  • übergeordnete Analyse: Los der Regierung,
  • protagonistische Zentrale: Bemächtigung,
  • buhlerische Peripherie,
  • kritische Etablierung: Ausdrucksfindung,
  • unkritische Arbeit.
Wenn ein Machtmonopol besteht, so wird Macht zugeteilt, andernfalls bemächtigen sich die Protagonisten der Macht. Das Machtmonopol ist das Resultat der Prinzipienfindung, insbesondere beim Umgang mit Protagonisten und Rivalen. Indem die Protagonisten im Laufe der gemeinschaftlichen Phase die übergeordnete geistliche Zentrale imitieren, brechen sie das Machtmonopol, mit der Folge, daß sie zu Beginn der persönlichen Phase ihre eigenen nationalstaatlichen kulturellen Universen beherrschen.

Protagonisten etablieren nie etwas, weil sie bereits etabliert sind. Nur wenn sich ein lokal beschränkter Protagonist als Rivale eines hegemonischen Protagonisten versteht, hat er ein mögliches Interesse daran, etwas zu etablieren, aber auch nur dann, wenn seine Reformbemühungen ihm einen Machtzuwachs versprechen. Etablierungen, welche lediglich auf profane Dinge gerichtet sind, betrachte ich hier aber nicht, sondern lediglich solche, welche den Glauben etablieren, und nur dann kann aus diesen ein Machtzuwachs erwachsen, wenn die entsprechenden Reformbemühungen Zuspruch finden. Eine Beschäftigung mit den Prinzipien kann in folge des oben angeführten Gesetzes nicht stattfinden, und der Ausdruck, wiewohl er noch stets zu Hofe gefunden wird, kümmert die übergeordnete Geistlichkeit weniger als die Verfassung, und wenn die persönliche Phase beginnt, tun die Protagonisten gut daran, ihn zu verstecken, da sie in der gemeinschaftlichen Phase noch Vorbilder waren, welchen ein guter Geschmack zum Vorteil gereichte, aber in der persönlichen Phase nur Mißgunst erweckten.

Analyse schließlich kann wiederum in folge des oben angeführten Gesetzes nur übergeordnet oder kritisch untergeordnet sein, und wenn die Kritiker mit der Etablierung beschäftigt sind, können sie ihm gemäß auch nicht zugleich analysieren, und in den Fällen, in welchen sie es nicht sind, also in der dogmatischen und der gemeinschaftlichen Phase, ist es für den Weltbetrachter (Analytiker) schlicht unerheblich, was sich naturgesetzlich vollzieht, da der verstandene Teil des Naturgesetzes die Herrschenden nicht hinreichend bindet, in der dogmatischen Phase nicht, weil der Glaube noch keine politischen Auswirkungen hat, weshalb, wie man so sagt, das Chaos herrscht, und in der gemeinschaftlichen Phase nicht, weil die Regierenden dazu angehalten sind zu experimentieren, so daß zwar nicht gleich das Chaos, dafür aber die bösen Überraschungen herrschen.

Daß die Auffindung des Ausdrucks den Kritikern vorbehalten bleibt, gehört zur Konkretion des Glaubens und wurde bereits vor langem besprochen. Freilich, die anderen beiden Auffindungen auch. Es ist vielleicht bemerkenswert, daß die Sowjetunion unter Stalin zeitweilig einem Fürstentum zu Zeiten der gemeinschaftlichen Phase des gegenwärtigen Glaubenszykels ähnelte, nur ohne übergeordnete Geistlichkeit, welche Stalins Experimente hätte loben oder tadeln können, wiewohl, wenn wir Wall Street als geistliche Zentrale annehmen und die westliche Welt als hegemonischen Protagonisten, welchem realexistierende sozialistische Länder wie die Sowjetunion und China mit unterschiedlichem Erfolg den Rang abzulaufen versuchen, paßte es schon, nur daß Wall Street nicht geistlich ist und die Wall Street genehmen Reformen inhärent instabil sind, weshalb sich die zeitweiligen Verfassungen nach einer gewissen Zeit ändern müssen.

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